In den dunklen Raunächten, zwischen Weihnachten und Neujahr, beginnt das Jugendbuch «Krabat». Und dunkel ist die Grundstimmung, die sich durch das ganze Buch zieht. In einer länger vergangenen Zeit zieht der 14-jährige Betteljunge Krabat mit zwei anderen Jungs als singender Dreikönig durch die Gegend in der Lausitz, bei der Ecke des heutigen Deutschlands, Polens und Tschechiens. Doch dann führt ihn ein Traum zu einer Mühle, wo er als Lehrling anheuert.
Otfried Preussler: Krabat
Macht, das Böse, Liebe, Angst und Erlösung: Was Otfried Preussler in sein Jugendbuch mit einer sorbischen Sage gepackt hat, packte mich beim ersten Lesen – und tut es immer noch.
Eine dunkle Geschichte, die mit Preisen überhäuft wurde: Das Buch über den Müllersburschen Krabat führt in seelische Untergründe – lässt einen aber nicht dort liegen. (Foto: Marius Schären)
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Der «reformiert.»-Adventskalender: 24 beste Bücher – eine persönliche Auswahl
Es ist zwar nur ein Haufen Papier, etwas Karton und Farbe – aber ein Buch kann es wahrlich in sich haben. Die Welten, die sich darin eröffnen, bewegen uns und unser Leben.
«reformiert.» präsentiert als Adventskalender 2022 jeden Tag bis zu Weihnachten ein persönliches Lieblingsbuch. Mitglieder der Redaktion und der Geschäftsstelle schreiben, warum sie gerade dieses ausgewählt haben, und verraten etwas zum Inhalt.
Dass es keine normale Mühle ist, wird rasch klar. Elf weitere Burschen sind bereits dort am Lernen, als Krabat hinkommt. Und wenn sich alle abends in der Kammer des Meisters versammeln, geht es um weit mehr als Kornsäcke und Mehlstaub: Die Jugendlichen werden geschult in schwarzer Kunst, Magie und Zauberei. Dass jede Neumondnacht ein besonderer Mahlgang ansteht und dass immer wieder mal ein Lehrling zu Tode kommt, macht die Geschichte nicht freundlicher.
Tief in die menschliche Seele
Doch Preusslers Fassung einer alten sorbischen Sage ist weit mehr als ein Märchen über Gut und Böse. Das Heranwachsen des Protagonisten mit all seinen inneren Erlebniswelten, die unterschiedlichen Charaktere der Burschen, die Ausflüge der Müllersleute in die ländlich-dörfliche Welt, die Kontakte und erwachenden Gefühle zu jungen Frauen und die Ränkespiele der Figuren: Mit all dem geht es reichlich tief in die menschliche Seele.
Das Bild von Herbert Holzing zum ersten Lehrjahr von Krabat in der Mühle. (Illustration: Herbert Holzing/Thielemann)
Beim ersten Lesen war ich wohl um die zwölf Jahre alt. Schon damals Molltönen und der Melancholie mehr zugeneigt als dem Grell-Hellen und Jubeltrubel, zog mich Preusslers Krabat sofort in den Bann. Neben der Geschichte selbst, der inneren Spannung und der so plastisch beschriebenen Atmosphäre – die unweigerlich prägende Bilder evoziert – machen auch die einfache, prägnante und flüssig weitertreibende Sprache und der nachvollziehbare Aufbau des 250-seitigen Werks ein Weglegen schwierig.
Und: Mir machte das Buch Mut, und tut es noch immer. Wie sich Krabat – nicht verschont von grossen inneren und äusseren Kämpfen – selbst treu bleibt auch unter widrigen Bedingungen, wie er seine Ideale trotz allem nicht aufgibt: Das macht es zu mehr als einfach einem spannenden Jugendbuch. Schliesslich hat es mitsamt seiner Schauerlichkeit, Dunkelheit, dem Schmerz und der Verzweiflung einen unglaublich starken, warmen und tröstlichen Kern.
Und ganz am Ende die Einsicht, dass es durchaus auch errettend sein kann, wenn wir Angst haben – richtig Angst.
Literaturangaben
Otfried Preussler: Krabat. Illustrationen von Herbert Holzing, Thienemann, 1981
Erstausgabe: Arena Verlag, 1971