Von Beruf war er Schreiner, aber schon im Alter von 20 Jahren baute er seine erste Pendeluhr. Der Autodidakt sollte aber nicht deswegen zu einem der bedeutendsten Uhrmacher seines Jahrhunderts werden. Sondern, weil er die Schiffsuhr erfand, damit eines der drängendsten nautischen Probleme löste und so die Seefahrt revolutionierte.
Dava Sobel: Längengrad
Das Buch «Längengrad» liest sich wie ein Roman, ist aber keiner. Die historische Reportage von Dava Sobel zeigt einmal mehr, wie aufregend das echte Leben sein kann.
Eine spannende Reise durch die Welt der seemännischen Navigation. (Foto: Hannes Herrmann)
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Der «reformiert.»-Adventskalender: 24 beste Bücher – eine persönliche Auswahl
Es ist zwar nur ein Haufen Papier, etwas Karton und Farbe – aber ein Buch kann es wahrlich in sich haben. Die Welten, die sich darin eröffnen, bewegen uns und unser Leben.
«reformiert.» präsentiert als Adventskalender 2022 jeden Tag bis zu Weihnachten ein persönliches Lieblingsbuch. Mitglieder der Redaktion und der Geschäftsstelle schreiben, warum sie gerade dieses ausgewählt haben, und verraten etwas zum Inhalt.
John Harrison hiess der Mann; er lebte und wirkte von 1693 bis 1776 in England. Irgendwann um 1720 herum hörte er von einem Preisgeld von 20'000 Pfund, welches das englische Parlament ausgeschrieben hatte. Es sollte demjenigen ganz oder in Teilen zufallen, der massgeblich zur Lösung des Längengradproblems beitrug.
Eine echte Knacknuss
Dieses Problem beschäftigte die damaligen Seefahrer stark. Die geografische Breite auf hoher See festzustellen, war mittels astronomischer Messungen recht präzise möglich. Die Länge hingegen war eine echte Knacknuss.
John Harrisons Ehrgeiz war geweckt. Während die grossen Astronomen seiner Zeit auf komplexe astrologische Tabellenwerke setzten, die kaum zu handhaben waren, dachte sich Harrison eine einfache Lösung aus: Man steche mit zwei Hochpräzisionsuhren in See: Die eine zeigt immer die Zeit des Heimathafens an, die zweite wird jeden Tag nach der Mittagssonne nachgerichtet. Aus der Zeitabweichung lässt sich die Längenposition exakt errechnen.
So weit, so gut – aber Uhren in der geforderten Präzision gab es damals nicht. John Harrison beschloss, solche Wunderuhren zu konstruieren, und er konstruierte sie auch. Als der berühmte englische Entdecker James Cook zwei Exemplare mit auf Reisen nahm und sie als tauglich befand, galt das Problem des Längengrads als gelöst.
Welche Widerstände der Uhrmacher zu überwinden hatte, wer ihm half, wer ihn ablehnte, warum man ihm das Preisgeld nur widerstrebend gewähren wollte – das alles erzählt die Journalistin Dava Sobel in ihrem Buch «Längengrad», das sich wie ein Roman liest, tatsächlich aber eine profund recherchierte historische Reportage rund um ein heute kaum mehr bekanntes Genie ist: So spannend kann Wissenschaftsgeschichte sein.
Literaturangaben
Dava Sobel: Längengrad. Erstveröffentlichung 1995 unter dem Originaltitel «Longitude». Aktuelle Ausgabe: Piper, 2013