Jedes Mal, wenn wir uns eine Auszeit an der venezianischen Lagune gönnen, die nicht fern von Santa Maria liegt, fahren wir mit dem festen Vorsatz, genügsam zu bleiben und nur ein paar Tage Wellenflimmern, Fisch vom Markt und Meeresbrise zu geniessen. Doch spätestens nach zwei Tagen packt es Bigna und mich: Wir beginnen, die verwitterten, verlassenen Palazzi nach Schildern von Immobilienmaklern abzusuchen – selbst diese Schilder sind oft verwittert und vom Salz zerfressen – und geben uns den süssesten Phantasien hin, wie man diese betörend schönen Gemäuer dem Verfall entreissen könnte. Erst nur zum Spass, doch spätestens nach drei, vier Tagen verlieren wir unser Herz hoffnungslos an eine der Ruinen, diskutieren mit dubiosen Maklern und reagieren gereizt, wenn Renata daran erinnert, dass wir kaum das Geld für diese Ferien zusammenkratzen konnten.
Und so enden wir jedes Mal am Fischereihafen an der Fondamenta San Domenico, betrachten unsere Lieblinge, die zwei dickbäuchigen, längst in die Jahre gekommenen Schiffe Nonna Gina und Nonno Brando, Grossmütterchen und Grossväterchen, die noch immer Nacht für Nacht das Städtchen mit Sardinen, Wolfsbarsch und Tintenfisch versorgen, bevor Bigna fragt: «Welches der beiden wird wohl als erstes abgetakelt?» Seufzend sage ich dann: «Mit etwas Geld könnte man auch ihr Leben noch um einiges verlängern.» Diesmal denken wir an Bignas Grossmutter, die vor einem Jahr fast gestorben wäre, ehe sie doch noch einwilligte, sich operieren zu lassen, und die dieses Jahr frisch und fröhlich mit uns ans Meer gefahren ist.
Bigna schüttelt den Kopf. «Ich glaube, sie wollen das gar nicht. Ich glaube, sie sind müde.» «Trotzdem tut es im Herzen weh, ihren Verfall so tatenlos mitansehen zu müssen.» «Du bist auch nicht mehr der Jüngste», bemerkt Bigna, «vielleicht könnten wir ein Haus retten oder ein Schiff. Aber was macht das mit dir?» Ich seufze. «Ja, und mit meiner Ehe. Renate liebt alte Häuser ja auch, aber ...» Bigna beendet den Satz für mich. «Aber nicht so masslos wie wir.» Ich nicke traurig, und stumm machen wir uns einmal mehr auf den Heimweg.