Bigna bekam nach ihrem Brief an Nemo eine Menge Post – nur eben nicht von Nemo. Bigna hatte Nemo hier einen Heiratsantrag gemacht und them gebeten, für Bigna zu komponieren. «Na schön», sagte Bigna zu mir, «dann musst du mir eben das Lied schreiben, mit dem ich am ESC teilnehme.» «Leider muss man mindestens sechzehn sein, um dort aufzutreten», sagte ich, denn ich hatte mich inzwischen schlaugemacht. «Oh, wie schade! Aber macht nichts, dann trittst eben du auf.» Ich lachte, aber Bigna meinte es nicht als Witz.
«Worüber soll ich singen?» «Über dich natürlich. Nemo hat auch über sich gesungen.» «Ich weiss nicht, ob mein Lied so viel anders wäre als Nemos. Ich habe mich auch lange Zeit nicht als Mann gefühlt. Damals gab es nur kein Wort dafür. Und ich glaube, die allermeisten Menschen fühlen so.» «Siehst du», sagte Bigna, «darüber hat Nemo nicht gesungen.» «Worüber?» «Dass es vielleicht gar nicht Männer und Frauen und etwas Drittes gibt, sondern überhaupt nur Menschen, und alle sind ein bisschen Mädchen oder Frau und ein bisschen Junge oder Mann, vor allem aber ganz viel Bigna oder Cilgia oder Not oder Jon.» «Die meisten von uns haben aber doch einen Körper, der eindeutig männlich oder weiblich ist», wandte ich ein. Bigna überlegte. «Ja, das stimmt wohl. Aber wenn es zum Mittagessen eine Suppe und Salat und Spaghetti und Schokoladenpudding gibt, dann sagen wir doch auch nicht, das Mittagessen war süss. Nur der Nachtisch war süss.»
«Und wir sind auch viel mehr als nur unser Körper», sagte ich, um zu sehen, ob ich richtiglag. «Genau.» «Nur ist der Körper das Einzige, was man sieht.» «Und? Der Nachtisch ist auch das Einzige, woran ich mich am Abend noch erinnere, und trotzdem bilde ich mir nicht ein, dass es nur den zu Mittag gab.» Das leuchtete mir ein. «Dann wäre es also sinnvoll, Mann und Frau ganz abzuschaffen und nur noch von ... wovon zu sprechen?» «Mewe, menschliche Wesen», antwortete Bigna, «und statt er und sie sagen wir x. X ist schön und passt immer. X öpper sagt man ja auf Schweizerdeutsch sowieso schon.» «Und darüber soll ich jetzt einen Song schreiben?» «Nicht einen. DEN.»