«Hat es bei euch schon geschneit?» «Brauche ich Ketten?» «Ist die Wohnung geheizt?» Solche Sätze hören wir, wenn Gäste bei uns Sommerferien buchen. Sie reisen an, dick vermummt, und wundern sich, dass auch bei uns die Menschen im T-Shirt in der Sonne sitzen, im Freibad planschen und Eis essen. Kopfschüttelnd murmeln sie etwas von Wetterbericht und schälen sich aus drei Schichten Funktionskleidung.
Wir haben das bisher als Kuriosum hingenommen. Bis Bigna in unsere Küche geplatzt ist und gerufen hat: «Es ist das iPhone!» Ich war dabei zu backen. «Was ist das iPhone?» Bigna stibitzte Kuchenteig und eine frisch gepflückte Stachelbeere und erzählte: «Unser Feriengast ist im Mantel aus dem Bus gestiegen. Ich habe ihn ausgelacht, da hat er sich geärgert und mir den Wetterbericht auf seinem iPhone gezeigt. Da stand: ‹Santa Maria, Val Müstair, null bis acht Grad›. Und wie viel haben wir?» Ich warf einen Blick aufs Aussenthermometer. «Im Schatten achtzehn.» «Und wie viel hatten wir in den letzten Wochen?» «Mittags meist so zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Grad.» «Ha, und der Gast sagt, auf seinem iPhone standen nie mehr als fünfzehn Grad, meist nur so zehn oder zwölf.» Verwundert zückte ich mein eigenes iPhone und suchte die Wetter-App. Tatsächlich zeigte sie für Santa Maria nur acht Grad an.
Das änderte sich auch an den kommenden Tagen nicht, und während ich noch rätsle, ob Apple nur eine Messstation auf dem Ofenpass unterhält oder ob sie uns mit Sils Maria im Engadin verwechselt, macht Bigna ihre Entdeckung zu Geld. Sie passt den Bussen aus dem Unterland ab, und wenn die Ausgestiegenen als Erstes verwundert Schal und Jacke öffnen, pflanzt sie sich vor ihnen auf und sagt strahlend: «Wetten, dass ich errate, was für ein Handy du hast?» «Wie, ‹was für ein Handy›?» «Ich errate die Marke deines Handys, für einen Franken.» «Und wenn du falschliegst?» «Dann singe ich für dich ein romanisches Lied.» Sie liegt fast immer richtig.
Das Lied singt sie trotzdem: «Inviern, sta bain, nus nu cridain.» Winter, leb wohl, wir weinen dir nicht nach. Und den Franken bekommt sie auch immer.