Mit geheuchelter Tierliebe und antisemitischen Parolen mobilisiert die allererste eidgenössische Volksinitiative im August 1893 und verankerte das Schächtverbot in der Verfassung (siehe Infotext unten). Aber die Debatte ist auch in der Gegenwart nie verstummt.
Die Politik reagierte durchwegs eingeschüchtert und defensiv auf die antisemitischen Reflexe, welche die Debatte ums Schächten begleitete. Beispielhaft steht dafür das Votum des BGB-Nationalrats und Veterinärmediziners Walter Degen im Jahr 1973: «So, wie wir die Volksseele kennen, glauben wir niemals an die Aufhebung des jetzigen Schächtverbotes.»
Schächtartikel verschwand 1973 aus der Verfassung
Wie schon so oft beugten sich damals die Bundesparlamentarier über das Schächtverbot. Eigentlich sollte die Zeit für eine Ausnahmebestimmung für rituelles Schlachten günstig sein. Denn 1973 wurde über die bereits 1848 in die Verfassung gelangten Ausnahmegesetze für die Katholiken – Verbot der Niederlassung von Jesuiten in der Schweiz und Unterbindung neuer Orden – diskutiert und schliesslich in einer Abstimmung konstitutionell getilgt.
Wenn die Volksseele aber aus dem Bauch entscheidet und es um jüdische Ritualgesetze geht, war es mit der religiösen Toleranz nicht weit her. Wie bereits bei Anläufen zuvor wurde der Vorstoss, das Schächtverbot aufzuheben, mit dem Hinweis auf die negative Stimmung im Volk verworfen. Der merkwürdig anmutende Schächtartikel verschwand 1973 aus der Verfassung, wurde aber auf dem Verordnungswege weiterhin aufrechterhalten.