Gretchenfrage 02. Dezember 2024, von Marius Schären

«Die Kirche ist mir eigentlich sehr nah»

Erich Langjahr

Der Filmschaffende ist schon lange aus der Kirche ausgetreten. Aber er bedauert, dass oft nur von den Skandalen berichtet wird. Engagement für eine bessere Welt findet er wichtig.

Wie haben Sies mit der Religion, Herr Langjahr? 

Das beginnt alles in der Kindheit bei mir. Ich bin protestantisch aufgewachsen im katholischen Zug. Im Kindergarten bei Ordensschwestern malte die Kindergärtnerin drei Herzen und sagte: Das schwarze sei das Herz eines Heidenkindes. Das gefleckte das eines ungetauften katholischen und das weisse das eines getauften katholischen Kindes. Ich ging heim und sagte: «Mutter, mich gibt es nicht.» Ich habe damals darunter gelitten, in einem katholischen Land nicht katholisch zu sein. 

Wie ging es dann weiter – als religiös nicht Existenter? 

Das Katholische hat mich immer sehr interessiert. Die vielen Farben hätte ich auch gern gehabt. Und in meinem ersten Film, «Ex Voto» (Gelübde), ging ich dem Einfluss der katholischen Kirche in meiner Gegend nach. Für mich ist dieser Film eines meiner wichtigsten Werke.

Und was sind Sie heute? 

Etwa mit 21 bin ich aus der Kirche ausgetreten. Aber sie ist mir jetzt eigentlich sehr nah. Ich bedaure, dass oft – durchaus berechtigt – nur von Skandalen berichtet wird. Ich habe grossen Respekt vor Menschen, die sich engagieren für die Gesellschaft und eine bessere Welt – ob in einer Kirche oder nicht.

Lebensthemen beschäftigten Sie auch im Schaffen stark, von «Geburt» 2009 bis zum Tod im neusten Film über eine krebskranke Frau. 

Ja, das ist so. Zurzeit sehe ich den Film immer wieder, und ich bin sehr bei der verstorbenen Michèle Bowley, der Protagonistin. Für mich lebt Michèle weiter mit dem, was sie seelisch auslöst.

Was berührt Sie besonders? 

Speziell bewegend finde ich, wo sie im Film über Versöhnung in der letzten Lebensphase spricht. Das ist mir sehr wichtig, dieser Reinigungsvorgang am Ende des Lebens. Michèle Bowley macht mir Mut.