Bigna schwang sich auf die Tischkante: «Woran schreibst du?» «An einem Vortrag für einen Kirchentag», sagte ich. «Worüber?» «Wenn ich das wüsste. Das Thema ist ‹anders weiter›. Vermutlich soll das bedeuten, dass die Gesellschaft so nicht ewig weitermachen kann. Aber tut sie ja gar nicht, es wechselt schon dauernd alles. Als Kind habe ich gelernt, dass man Schreiner lernt, vierzig Jahre lang schreinert und als Schreiner stirbt. Heute muss man alle zehn Jahre was Neues werden. Dauernd verschwinden ganze Berufszweige. Wie meiner. Wer liest noch Bücher? Wer geht ins Theater oder Kino? Millionen schriftstellernde, schauspielernde, filmende, musizierende Menschen auf der Welt sind arbeitslos. Oder all die Bürofachkräfte, Kassenangestellten, verdrängt von KI! Anders-weiter ist keine Fantasie, sondern harte Realität.»
Bigna hörte für einen Augenblick auf, mit den Beinen zu schaukeln: «Vielleicht ist das wichtige Wort ja nicht ‹anders›, sondern ‹weiter›.» Ich stutzte nur kurz: «Das ist doch auch Teil unserer Krankheit! Alles muss immer weiter gehen, immer schneller, immer atemloser. Was wäre das Gegenstück? Ruhe? Nur schon das Wort lässt die Leute erschauern. Hiesse das nicht Stillstand, Erstarrung? Ist Ruhe nicht das Motto der Verlierer?»
Bigna kaute am Daumennagel. «Und, ist es?» «Nein, natürlich nicht! Bert Brecht hat geschrieben: ‹Denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher.›» Bigna kicherte: «Also muss ich nur stehen bleiben, und das Glück holt mich ein?» «Ja, nur tu das mal, wenn alle um dich herum rennen wie die Blöden.» «Das braucht Mut», gab Bigna zu, «doch wenn erst ein Mensch stehenbleibt, tun die anderen es vielleicht auch, nur schon aus Neugierde, was es da wohl gibt.»
Ich witterte Morgenluft. «Stimmt, und schliesslich kommt der ganze Strom zur Ruhe. Die Welt schöpft wieder Atem. Lernt wieder zu sehen. Zuzuhören. Lernt darauf warten, dass das Glück sie einholt.» «Das wird ein guter Vortrag», sagte Bigna und klopfte mir auf die Schulter. Dann verschwand sie in Richtung Küche, wo Renata gerade ein Blech Kekse aus dem Ofen zog.