Sie sind Waldenser. Was macht einen Waldenser aus?
Paolo Naso: Als Erstes erzählen wir immer unsere 850-jährige Geschichte – das ist unser neurotischer Tick. Scherz beiseite. Drei Dinge zeichnen uns aus: die Verbundenheit mit der Geschichte, die Bibel und unser Kampf für Freiheit.
Wieso ist das 850-Jahr-Jubiläum der Waldenser wichtig? Und warum erzählen Waldenser so gern ihre Geschichte?
Weil wir glauben, dass unsere kleine Glaubensgemeinschaft auch die europäische Geschichte mitgestaltet hat. Lange wurde uns die Freiheit verwehrt. Die Waldenser wurden als Ketzer verfolgt, dann von weltlichen Machthabern in die Bergen verbannt. Erst 1848 verlieh uns König Karl Albert von Sardinien Bürgerrechte. Und seit der Verfassung von 1948 gilt für alle das Prinzip der Religionsfreiheit.
Ist die Freiheit ein waldensisches Leitmotiv?
Ja, und darin sehen wir bis heute unsere Relevanz für die Gesellschaft. Denn das reformatorische Gedankengut bezieht sich auf soziale Reformen und Pflichten. Aus diesem Grund engagieren sich Protestanten für soziale, freiheitliche und pluralistische Angelegenheiten. Bei uns sind alle willkommen. Wir engagieren uns für eine gerechtere Welt und eine humane Migrationspolitik, stehen ein gegen Queer-Feindlichkeit und kümmern uns um ethnische Minderheiten.