Von der indigenen Weisheit lernen

Spiritualität

Mari Valjakka reist an internationale Konferenzen. Und doch ist die Pfarrerin tief verbunden mit ihrer indigenen Kultur.

Sie sind als indigene Pfarrerin am internationalen ökumenischen Dialog beteiligt. Organisationen wie der Weltkirchenrat (ÖRK) setzen sich stark für Klimagerechtigkeit ein. Bewirkt das etwas? 

Ja, natürlich. Der ÖRK und der Lutherische Weltbund ermöglichen es, die Anliegen indigener Völker in breiteren Foren zur Sprache zu bringen. Und die Öffentlichkeit für die unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Lebensweise aufmerksam zu machen. Viele von uns sind vom Klimawandel an vorderster Front betroffen. Das ist paradox, denn gerade indigene Völker haben ein grosses Wissen über die Pflege und auch die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt. Sie haben all die Schäden nicht selbst verursacht.

Und doch haben sie kein Stimmrecht an so wichtigen Konferenzen wie der Klimakonferenz vom November in Baku.

Das ist leider so. Zumindest sind wir vor Ort und können in Begleitveranstaltungen Einfluss nehmen. Aber ja, es ist zwar heute an vielen Konferenzen oft die Rede von der indigenen Weisheit im Umgang mit der Erde. Doch diese Weisheit wird immer noch eher exotisiert als wirklich ernst genommen. Wir kämpfen jedoch weiterhin dafür, dass wir bei wichtigen Entscheidungsprozessen mitbestimmen können.

Wie funktioniert der Austausch unter Indigenen weltweit? Sie leben ja in ganz anderen Kontexten und sind mit sehr unterschiedlichen Problemen konfrontiert. 

Egal wo auf der Welt wir leben, haben wir sehr viel gemeinsam. Viele von uns sind immer noch im direkten Kontakt mit der Natur und haben schon seit längerer Zeit kleine und grosse Veränderungen bemerkt. Zusammen möchten wir die Menschen um uns herum dazu bewegen, diese Signale selbst ebenfalls wahrzunehmen und sie ernst zu nehmen, bevor es zu spät ist. Natürlich gibt es viele indigene Völker, die nicht an internationalen Konferenzen teilnehmen können. Ich hoffe, dass wir auch für sie und in ihrem Sinn sprechen.

Was schätzen Sie für sich persönlich an den ökumenischen Netzwerken für indigene Völker? 

Als indigene Christinnen und Christen fühlen wir uns tief verbunden durch unsere schöpfungszentrierte Theologie. Der Austausch untereinander, egal ob wir in Afrika, Amerika, Asien oder Europa leben, ist für mich immer eine grosse Bereicherung. Und gemeinsam haben wir ausserdem in der Öffentlichkeit eine stärkere Stimme.

Was verbindet Sie als Theologin mit Ihrer indigenen Kultur? 

Die Schöpfung, mit der wir sorgsam umgehen sollen. In der Bibel ist das genauso zentral wie in der Lebenswelt meines Volkes.

Erzählen Sie mir mehr von der ökologischen Weisheit der Sami, die Sie als Pfarrerin begleiten. 

Wir bitten immer um Erlaubnis, wenn wir zum Jagen und Sammeln in den Wald gehen oder zum Fischen an den See. Wir begegnen den Kräften der Natur mit Demut, nehmen mit Dankbarkeit, was uns gegeben wird, und nie mehr als das, was wir brauchen. Und es ist eine Frage der Ehre für uns, keine Spuren zu hinterlassen an den Orten, zu denen wir gewandert sind und wo wir uns aufgehalten haben. 

Mari Valjakka, 35

Mari Valjakka, 35

Sie ist Pfarrerin für die Sami und Projektkoordinatorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Finnland in Klimafragen sowie Vorsitzende der ÖRK-Referenzgruppe für indigene Völker. Valjakka ist Skolt-Sami. Ihr Volk spricht eine eigene, untergehende Variante der Sami-Sprachen.