Der gute Superstar

Kultur

Kendrick Lamar sammelt Auszeichnungen und prangert in geschmeidigen Reimen Rassendiskriminierung und Gewalt an. Der Star gibt dem Rap die Spiritualität zurück.

Radikal genug geträumt, mutiert der amerikanische Traum vom Auf­stieg zum sozialdarwinistischen Albtraum. Lange vor Trumps «America First» propagierte der Rap in dicker Hose sein «Ich zuerst (und vielleicht noch meine Gang)».

Diese Musik klingt interessant, wenn sich hinter Gewaltfantasien und oft allzu sexisistischen Posen soziale Abgründe öffnen. Das Publikum kann sich dann nie sicher sein, auf doppelten Böden zu tanzen. Haben hier jene, die in von Gewalt und Drogen beherrschten Vierteln aufwachsen mussten, nicht einfach das System von Reichtum und Selbstjustiz ziemlich gut verstanden? Der Rap wäre dann die derart perfekte Assimilation einer Minderheit, dass der Mehrheit schwindlig wird.

Das schwarze Weisse Haus

Zum Glück erschöpft sich Rap nicht im Blingbling der Luxuskarossen. Die Musik wurzelt in der Tradition von Gospel und Soul. Für diese Linie steht exemplarisch die fantastische Formation The Roots um den Schlagzeuger Questlove, der sich der schwarzen Bürgerrechtsbewegung verbunden fühlt. Nach der Wahl von Barack Obama stellte der Absolvent einer Kunsthochschule in Philadelphia eine Videobotschaft ins Netz, in der er mit tränenerstickter Stimme sagte: «Dieser Sieg wirkt Wunder für mein Selbstvertrauen.» Er schob gleich die Warnung nach, dass der Hip-Hop vor lauter Euphorie nach dem Wahlsieg Bill Clintons in der Trägheit des Konsums versunken sei und dabei «seine Spiritualität verlor».

The Roots spielten an Obamas Abschiedsparty. Mit ihm war die schwarze Musik im Weissen Haus angekommen. (Inzwischen ist die Distanz wieder maximal.) Zu Obamas Gästen gehörte auch Kendrick Lamar. Er wuchs im kalifornischen Compton in prekären Verhältnissen auf. Rapt er vom maroden Bildungssystem, Rivalitäten unter kriminellen Gangs und Rassismus, weiss er, wovon er spricht.

Vom Schock zur Taufe

Lamar verpackt seine Anklage in geschmeidige Reime, unterlegt von zuweilen fast kontemplativen ­Beats. Die diesjährige Grammy-Verleihung, den Oscars des Pop, verliess er mit fünf Auszeichnungen im Gepäck, sechs von den goldenen Plattenspielern standen schon bei ihm zu Hause.

Lamar prangert in seinen Texten nicht nur soziale Missstände an, er rapt auch von Gott. Auf dem autobiografisch geprägten Album «Good Kid, M.A.A.D. City» (2013) verarbeitet er im Song «Sing About Me, I’m Dying of Thirst» den gewalsamen Tod eines Freundes. Der Schock bewog ihn zur Taufe.

Der Superstar predigt Demut

Auf der jüngsten Platte «Damn» (2017) bleibt der Glaube zentral. Lamar verbindet die Hoffnung auf Gnade mit dem Aufruf zur Nachfolge. «Gott ist ein gnädiger und liebender Gott, doch er verlangt auch Gehorsam», sagte er einmal. Im vertrackten und doch leichtfüssigen «Humble» predigt der Superstar Demut. Er verwünscht den Ober­flächenkult mit all seinen Photoshop-Körpern und sehnt sich nach Dehnungsstreifen auf der Haut. So gibt Lamar mit seiner zuweilen verspielten Ironie dem Rap seine Spiritualität zurück.

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