Brücken schlagen zwischen Wissen und Glauben

Theologie

Einfach Jesus? Gibt es nicht. Die Maturandin Fabienne Ambühl zeigt in ihrer prämierten Arbeit, wie sich zwei Theologen über den Messias gut begründet uneinig sein können. 

Ja, was jetzt? Wer sich Klarheit verschaffen möchte in der viel diskutierten Frage, wer Jesus historisch gesehen war, könnte nach Lektüre des Textes von Fabienne Ambühl mehr Fragen als Gewissheit haben. Ihr wurde für ihre Maturaarbeit «Der historische Jesus von Nazareth. Zwei Positionen» der Berner Theologiepreis zugesprochen. Bereits in der Beschreibung des Werks heisst es, die Autorin zeige, wie zwei Theologen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, «die sich gut begründen lassen». 

Macht das nicht konfus? Nein, sagt die 19-jährige Absolventin des Berner Kirchenfeldgymnasiums fadengerade. Die Auswirkungen auf ihren eigenen Glauben seien gering. «Ausser, dass es mich im Kern gestärkt hat.» Ihr selbst sei im Glauben schliesslich nicht wichtig, dass alles bewiesen sei. Und vor allem: Die Auferstehung Jesu ist für Ambühl «gut begründbar». 

Von Haus aus gläubig 

Die junge Frau ist noch nicht lange zurück aus dem Tessin. Drei Monate hat sie in einem Hotel im Centovalli gearbeitet. Das habe ihr sehr gut gefallen, mit der Umgebung, der Natur, den Menschen. Dass das Hotel zur christlichen Studierendenbewegung VBG gehört, passt zu Fabienne Ambühl. Sie ist Mitglied der reformierten Landeskirche und bezeichnet sich selbst entschieden als gläubige Christin. 

Im Glauben ist mir nicht wichtig, dass alles bewiesen ist.
Fabienne Ambühl, Maturandin

Auf das Thema ihrer Maturaarbeit kam sie auch aus einer weiteren Motivation: «Der Glaube und sein Verhältnis zum Wissen, sprich zur Wissenschaft, haben mich stets beschäftigt. Denn da ist auch das Rationale dabei, und dieses fasziniert mich ebenfalls.» Und dass es zu ihrem Thema viele Quellen gibt, hat ihr auch noch den letzten Schub gegeben, das Thema anzupacken. 

Deutliche Unterschiede 

In ihrer Arbeit hat Ambühl je ein Werk zweier Theologen verglichen. Zum einen vertiefte sie sich in ein Buch von Jens Schröter (63), deutscher Professor für Exegese (also die wissenschaftliche Auslegung von Texten) und Theologie des Neuen Testaments in Berlin. Zum andern nahm sie sich ein Werk von William Lane Craig (75) vor, Theologe evangelikaler Ausprägung und Philosoph aus Houston (USA). Schröter war ihr vom Betreuer ihrer Arbeit vorgeschlagen worden, das Buch von Craig hatte ihr ein Kollege aus ihrer Kirche ausgeliehen.

Die zwei Theologen hätten klar unterschiedliche Haltungen, konstatiert die Maturandin in ihrer Arbeit. Schröter halte fest, dass der «historische Jesus» nie eindeutig sein werde. Er sei stets ein Produkt der Auswertung von Texten durch die jeweiligen Interpretierenden. Craig dagegen wolle sein Publikum überzeugen, dass der christliche Glaube vernünftig sei – ganz grundsätzlich. In dieser Hinsicht sei er schematischer als Schröter und weniger kritisch gegenüber Quellen.

Ich bin einfach sehr interessiert, mich mit Theologie auseinanderzusetzen, auch kritisch. Und ich habe nichts anderes gefunden, das ich interessanter finde.
Fabienne Ambühl, Maturandin

«Manchmal war die Lektüre anstrengend und das Weiterschreiben schwierig», sagt Fabienne Ambühl. Aber es habe sie «sehr gefesselt», sich mit dem historischen Jesus zu befassen. Gerade mit Blick auf so unterschiedliche Positionen, wie sie Schröter und Craig vermitteln. 

Glaube als Vernunftsache 

William Lane Craig nun stehe ihr mit seiner Grundannahme, es sei vernünftig, davon auszugehen, dass Gott existiere, persönlich näher, erklärt Ambühl – «obwohl er oft von Beweisen schreibt, die meines Erachtens keine sind». Aber er begründe alles gut nachvollziehbar. Während er Glaubensinhalte für wahr halte, schliesse Jens Schröter von Anfang an aus, dass Übernatürliches passiert – also so etwas wie die Auferstehung. 

Fabienne Ambühls Beschäftigung mit Glauben und Wissen geht weiter: Ab nächstem Sommer wird sie Theologie in Bern studieren. Eine klare Wahl? Sie verneint: «Ich bin einfach sehr interessiert, mich damit auseinanderzusetzen, auch kritisch. Und ich habe nichts anderes gefunden, das ich interessanter finde.» Spannend fände sie auch Geografie, Meteorologie, andere Kulturen, Sprachen oder die Psychologie. Schliesslich habe aber die Theologie das Rennen gemacht. 

Und ihr Berufsziel? Klar ist vorerst einmal das: «Da habe ich noch keine Ahnung.»