Viele klagen über mangelnde psychiatrische Betreuung

Gesellschaft

Ältere Menschen rufen bei der Dargebotenen Hand an, weil sie sich im Alltag einsam fühlen. Junge chatten zu tiefgreifenden Sorgen. 

Die Dargebotene Hand, bekannt für ihre niederschwellige psychologische Unterstützung, blickt auf ein anspruchsvolles Jahr 2024 zurück. Wie der Stellenleiter der Region Zürich, Matthias Herren, sagt, sank die Zahl der Gespräche von 33 000 im Vorjahr auf rund 32 000, während gleichzeitig die Komplexität der Anliegen zunahm.

«Längere und intensivere Gespräche sind an der Tagesordnung und haben zugenommen», sagt Herren. Die Gesprächsdauer stieg im Schnitt von 15 auf 16 Minuten, was im Gesamtvolumen ins Gewicht falle. Laut Herren könnte ein Zusammenhang darin liegen, dass es hierzulande nach wie vor eine unzureichende psychiatrische Versorgung gibt. Viele Anruferinnen und Anrufer klagen über mangelnde Betreuung oder die eingeschränkte Unterstützung in Kliniken.

In solchen Fällen fungiere die Dargebotene Hand als Ersatz und biete emotionale Entlastung bei Themen wie Angststörungen, Panikattacken und Depressionen. Rund 7 bis 8 Prozent der Telefonate – etwa 2250 Beratungen – drehten sich 2024 um Angstzustände. Viele der Anrufer rufen wiederholt an, oft auch mehrmals am gleichen Tag, und suchen intensive Unterstützung. «Hier müssen wir auch Grenzen setzen, um Raum für neue Anrufer zu schaffen», sagt Herren. 

Angst vor Abweichungen

Junge Menschen bevorzugen den Chat gegenüber dem Telefon. Rund 90 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer sind unter 30 Jahre alt. Insgesamt wurden 2500 Chatgespräche geführt. Nur etwa die Hälfte der Kontaktversuche kann bedient werden. Herren betont, dass es in diesem Bereich besonders wichtig wäre, Kapazitäten auszubauen.

Bei den Jugendlichen stehen oftmals ernste Themen wie Suizidalität und Selbstverletzung im Fokus. Bei den im Schnitt deutlich älteren Anrufern dagegen führt Einsamkeit die Liste an. «Viele haben niemanden, mit dem sie Alltagsprobleme teilen können», erklärt Herren. Für sozial isolierte Menschen können selbst kleine Herausforderungen wie ein verspäteter Spitex-Termin sehr heftigen Stress auslösen. Besonders betroffen sind ältere Menschen, Personen mit Behinderungen, sozial isolierte Gruppen.

Für die internationale Community bietet «Heart to Heart» seit einem Jahr psychologische Unterstützung in englischer Sprache. 2300 Gespräche wurden seit dem Start der Linie Anfang 2023 geführt. Die Nutzerinnen und Nutzer seien meist junge Expats, die oft ohne soziales Netzwerk in der Schweiz leben. Beziehungsprobleme, Depressionen und andere schwere Belastungen stehen in diesen Gesprächen im Zentrum.

Persönliches vor Politik

Bei allen Kategorien stehen laut Herren stets persönliche Probleme im Vordergrund. Geopolitische Themen kämen nur sehr selten vor. «Trump und Putin lassen die Leute nicht zum Hörer greifen.» Ihre Namen fielen je rund 30-mal, was gerade mal ein Promille der Anrufe ausmacht. Statt globaler Machtspiele stünden individuelle Sorgen wie Angst, psychische Erkrankungen oder Beziehungsprobleme im Fokus der Gespräche mit den Anrufern und Chatnutzern.

Finanziert wird die Dargebotene Hand primär von der reformierten und der katholischen Kirche sowie Spenden.