Jährlich ab Spätsommer begehen die christlichen Kirchen einen Monat lang die Schöpfungszeit. Sie bietet Gelegenheit, wieder einmal nachzufragen, wie Kirchgemeinden im Kanton Graubünden auf das Thema Umweltschutz reagieren. Marcel Schädler, Finanzverwalter, Beauftragter für Liegenschaften und seit 2022 auch Umweltberater der Landeskirche Graubünden, hat sich mit einem Team bereits auf den Weg gemacht, an dessen Ende der Grüne Güggel steht. Die evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden mit ihren Mitarbeitenden und Mitgliedern der Gremien sowie das Verwaltungsgebäude an der Loëstrasse sollen mit dem kirchlichen Umweltmanagementsystem zertifiziert werden. Weniger heizen, mehr recyceln, einheimische Blumen säen oder nachhaltig einkaufen – die Möglichkeiten, umweltfreundlich zu handeln, sind vielfältig.
Umweltbewusstsein stärken
Der Grüne Güggel hat die Optimierung des Ressourcenverbrauchs und ein Bewusstsein für die Umwelt als Ziel: «Wir haben im Frühjahr die Schöpfungsleitlinien verabschiedet», erklärt Schädler. Damit ist er mit seinem Team beim dritten von zwölf Schritten angelangt, die auf dem Weg zurückzulegen sind. Die Landeskirche hat zudem den zweckgebundenen Fonds «Kirche und Umwelt» eingerichtet. Über ihn können die Kirchgemeinden Gesuche einreichen, um Unterstützung für bauliche Massnahmen zu bekommen. Auch Projekte zu umweltgerechtem Handeln – zum Beispiel die Einführung des Grünen Güggels – können gefördert werden. «Bisher habe ich zum letzten Punkt leider noch kein Gesuch erhalten», sagt Schädler. Vielleicht, weil viele Kirchgemeinden in den kommenden Jahren zuerst mal ihre Kirchen energetisch sanieren müssen.
Ein grosses Thema ist die Einsparung von Heizkosten. Doch auch hier können die Kirchgemeinden auf die Hilfe der Landeskirche zählen: «Wir haben klare Vorgaben», sagt Schädler, «eine finanzabhängige Kirchgemeinde bekommt zwei Drittel und eine finanzunabhängige 20 Prozent der Kosten für eine Sanierung von uns erstattet.» Als Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung gilt allerdings, dass die Kirchgemeinden ein Nutzungskonzept für ihre Gebäude entwickeln.
Kupferdach glänzt bereits
In Schiers im Prättigau läuft derzeit eine Sanierung. Im über zwei Millionen Franken teuren Projekt wird die Kirche innen und aussen renoviert. Die Baukommission unter dem Vorsitz von Andy Ladner hat ein Nutzungskonzept für die um 1520 gebaute Kirche erarbeitet. Das neue Kupferdach glänzt bereits in der Sonne, denn die Aussenrenovation ist inzwischen abgeschlossen. Ladner ist nun dabei, den Umbau im Inneren der Kirche zu begleiten. «Unsere Kirche soll breiter und flexibler genutzt werden können und damit für die Zukunft gut gerüstet sein.» Unter anderem werden im vorderen Bereich der Kirche Stühle statt Bänke stehen. So können in dem Kirchenraum neben Gottesdiensten auch kulturelle Anlässe wie Konzerte oder Theater einfacher stattfinden. Diesen Herbst wird in Schiers eine Kulturkommission ihre Arbeit aufnehmen. Ziel ist, ein Programm über die religiösen Anlässe hinaus auszuarbeiten.
Solarzellen auf der Kirche
«Je stärker wir die Gebäude sinnvoll nutzen, desto mehr Wert haben sie auch für das gemeinschaftliche Leben hier im Ort», sagt Ladner. Der gelernte Exportfachmann zählt zu jenen Menschen, die nach vorn blicken, den gesellschaftlichen Wandel sehen und mitgestalten wollen. Einfach sei das nicht immer, denn wo es um die Kirche, ihre Nutzung und ihr Aussehen gehe, herrschten unterschiedliche Meinungen. Von «Gegenwind» für ihr Projekt berichtet auch Juliana Alig. Sie ist Präsidentin der katholischen Kirchgemeinde Landquart-Herrschaft. 2016 wurde die katholische Pfarrkirche St. Fidelis für 1, 5 Millionen Franken renoviert und energetisch saniert. Wobei die katholische Landeskirche einen Beitrag von 200 000 Franken beisteuerte. Vorstand und Kirchgemeinde haben darüber hinaus beschlossen, eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 30 Kilovoltampere (kVa) auf dem Kirchdach zu installieren. «Wir mussten zunächst mit dem Heimatschutz und der Denkmalpflege ein wenig kämpfen», erinnert sich Juliana Alig, «konnten uns am Ende aber durchsetzen.»
Wichtige Investition
Inzwischen hat auch das benachbarte Pfarreizentrum eine Photovoltaikanlage, und in Zusammenarbeit mit der politischen Gemeinde Landquart wurde auf dem kircheneigenen Parkplatz eine Ladestation für Elektrofahrzeuge errichtet. Der gewonnene Strom von beiden Anlagen ist mehr als ausreichend, um den Bedarf der Kirchgemeinde zu decken. Deshalb kann die Kirchgemeinde einen Teil ins öffentliche Stromnetz einspeisen. «Es ist zwar nicht die Kernaufgabe der Kirche, Photovoltaikanlagen zu bauen», sagt Alig, «aber wenn sich die Möglichkeit bietet, leisten wir gern einen Beitrag zu Umwelt und Gesellschaft.» In der teilweise 500-jährigen Geschichte der Kirchen habe es zu allen Zeiten Umbauten gegeben, weiss Marcel Schädler als Beauftragter für die Liegenschaften der reformierten Kirche im Kanton. 180 reformierte Kirchen wollen instand gehalten und zukunftsfest gemacht werden. «Das Wichtigste dabei ist doch, dass die Gebäude genutzt werden können, belebt sind und der Gemeinschaft auch in Zukunft dienlich sind.»
Begegnungen im Garten
Es müssen jedoch nicht immer die grossen Projekte sein, die dem Umweltschutz dienen. Das zeigt das Beispiel des Heks-Gartens in Chur. Hier hat die reformierte Kirchgemeinde Chur 20 000 Franken zum Aufbau des ersten derartigen Gartenprojekts in Graubünden gegeben. «Davon haben wir Werkzeuge zum Gärtnern und ein Gartenhäuschen gekauft», sagt Karin Roth, die seit zwei Jahren das Projekt leitet. 20 Erwachsene und zehn Kinder bepflanzen inzwischen den Boden auf einer Parzelle des Bistums Chur. Es sind Einheimische sowie Migrantinnen und Migranten, die gemeinsam ihre Beete anlegen. «Beim Jäten und Giessen gleichzeitig Deutsch zu lernen, ist ein Ziel des Integrationsprojekts», sagt die Gärtnerin und Sozialpädagogin Karin Roth. Für manche der Menschen ist das kleine Stück Grün die Oase in ihrem Alltag. Für die Ukrainerin Natalya zum Beispiel. Sie hatte in ihrer Heimat einen grossen Garten. Heute pflanzt sie mit Vorliebe Tagetes auf ihrem Beet in Chur. Jeweils am Mittwoch trifft sich die Gartengruppe für rund zwei Stunden und erhält von Roth einen Input zu Themen wie Fleischkonsum, Schneckenbefall oder Food-Waste.
Auch in Landquart auf dem Areal der reformierten Kirchgemeinde wird gegärtnert. Andrea Lehmann koordiniert in freiwilligem Engagement auf dem 300 Quadratmeter grossen Areal die Gemeinschaftsgärten. «Bei uns wachsen Rüebli, Zucchetti, Herdäpfel, Tomaten, also alles, was der heimische Boden so hergibt», sagt sie. Die Ernte wird unter den Gärtnerinnen und Gärtnern geteilt, ebenso wichtig ist der Austausch untereinander. Und zum Erntedankfest in der Landquarter Kirche gestaltet das Gartenteam die Dekoration.