Zürich bremst Trans-Operationen bei Jugendlichen

Gesundheit

Nach einem markanten Anstieg der Fallzahlen 2023 reagiert der Kanton. Ethiker und Theologe Frank Mathwig mahnt, medizinische Entscheide mit Sorgfalt und Verantwortung zu treffen.

In vielen Ländern Europas werden geschlechtsangleichende Eingriffe bei Jugendlichen zunehmend eingeschränkt. In der Schweiz hingegen liegt die Entscheidung bei den urteilsfähigen Minderjährigen selbst. Diese Praxis sorgt für heftige Kontroversen. Nun hat der Kanton Zürich auf die heikle Entwicklung reagiert: Zwischen 2018 und 2023 stieg die Zahl geschlechtsangleichender Operationen bei unter 18-Jährigen von null auf 14. 2024 wurden noch vier Eingriffe gemeldet. Die Gesundheitsdirektion führt den Rückgang auf verschiedene Massnahmen zurück, die Regierungsrätin Natalie Rickli zusammen mit psychiatrischen und juristischen Fachpersonen an einer Medienkonferenz vom 7. Juli präsentierte.

Kein generelles Verbot

Ein juristisches Gutachten bestätigt: Ein Verbot auf kantonaler Ebene, wie es Rickli bevorzugen würde, wäre unzulässig. Denn das Bundesrecht gewährt urteilsfähigen Jugendlichen das Recht, über medizinische Eingriffe in «höchstpersönlichen Belangen» selbst zu entscheiden. Die Gesundheitsdirektorin fordert deshalb eine nationale Regelung. Ebenfalls verlangt sie, dass Pubertätsblocker ausschliesslich im Rahmen von klinisch begleiteten Studien abgegeben werden dürfen. Spitäler wurden ermahnt, bei Minderjährigen Zurückhaltung zu üben.

Entscheidend sei die psychiatrische Versorgung der betroffenen Jugendlichen und deren Eltern; diese wurde im Sinne der Massnahmen ausgebaut. Ein spezialisiertes Netzwerk für Fragen der Geschlechtsidentität mit einer betont interdisziplinären Ausrichtung wurde neu ins Leben gerufen. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich (KJPP) verzeichnete 2021 mit 134 Jugendlichen den Höchststand. 2024 waren es noch 60 – das entspricht 0,024 Prozent der 12- bis 19-Jährigen aus sechs Kantonen. Der Rückgang hängt auch damit zusammen, dass inzwischen ähnliche Angebote in weiteren Kantonen bestehen.

Auch die Nationale Ethikkommission Humanmedizin (NEK) hatte im Frühjahr 2024 betont: Irreversible Eingriffe sind nur bei nachgewiesener Urteilsfähigkeit und umfassender Aufklärung zulässig. Eine elterliche Zustimmung allein reicht nicht. Die NEK fordert sorgfältige Einzelfallprüfungen, ethische Beratung und transparente Verfahren. Ein generelles Verbot lehnt sie jedoch ab.

 Heiligkeit der Person

Eine theologische Perspektive bietet Frank Mathwig, Ethiker der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, in der Schrift  «Zankapfel Geschlecht» (EKS, 2025). Er warnt vor vorschnellen medizinischen Reaktionen und plädiert für eine Ethik der Sorgfalt. So sei nicht der Körper heilig, sondern die Person. Die Menschenwürde gründe nicht im biologischen Merkmal, sondern im ganzen Sein. Bei medizinischen Eingriffen müsse die Beweislast für Unschädlichkeit beim Behandelnden liegen, nicht beim Kind.

Mathwig fordert auch von den Kirchen Differenziertheit statt Polarisierung: Kirchliches Handeln dürfe weder in aktivistische Bestätigung noch in moralisierende Ablehnung kippen. Die Aufgabe der Kirche sei es, Raum zu schaffen für Begleitung, Zuhören und Reflexion – besonders bei jungen Menschen, die Orientierung suchen.