«Die Kürzungen sind unverständlich und verwantwortungslos»

Entwicklungshilfe

Der Bund kürzt die Auslandshilfe um 110 Millionen Franken. Heks-Mediensprecher Lorenz Kummer sagt, wie das beim Hilfswerk ankommt und was es für dessen Arbeit bedeutet.

Was sagt das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks) zur Kürzung der Gelder für die Entwicklungshilfe?

Lorenz Kummer: Das Heks ist enttäuscht über diesen Entscheid des Parlaments, der für viele Menschen im globalen Süden Folgen haben wird. Für das Heks sind die Kürzungen unverständlich und verantwortungslos, zudem setzen sie angesichts der vielen globalen Krisen ein falsches Signal. Als eines der reichsten Länder der Welt hat die Schweiz die Mittel und die Verantwortung, sich für eine gerechtere Welt und damit für Frieden und Stabilität einzusetzen. Stattdessen spart das Parlament nun auf dem Buckel der ärmsten Menschen der Welt.

Es gab nicht den grossen Kahlschlag – gegenüber den anfang vom Nationalrat geforderten 250 Millionen Franken sind es nun «nur» 110 weniger. Ist das ein Grund zur Erleichterung oder zur Sorge? 

Die Kürzungen sind zwar nicht so hoch, wie dies der Nationalrat vorgeschlagen hatte. Da aber auch die Ukraine-Hilfe aus dem Budget der regulären Entwicklungszusammenarbeit finanziert wird, stehen 2025 für die Länder des globalen Südens rund 485 Millionen Franken weniger zur Verfügung – eine Kürzung von fast zwanzig Prozent. Das sind gravierende Kürzungen und ein Grund zur Sorge, weil damit langjährige Partner im Stich gelassen und erfolgreiche Entwicklungsprojekte gefährdet werden.

110 Millionen weniger für die Auslandshilfe

An der soeben zu Ende gegangenen Wintersession wurde das Bundesbudget für die kommenden vier Jahre beschlossen. Es war hart umkämpft wegen knappen Finanzen und der Schuldenbremse. Vorgesehen war, das Budget für Rüstungsausgaben um 530 Millionen zu erhöhen. Dafür muss andernorts gespart werden. Darum wollte der Nationalrats das Budget für die Auslandshilfe ursprünglich um 250 Millionen kürzen, der Ständerat um 30 Millionen. Am 19. Dezember stand der Kompromiss fest: Die Beiträge für die Auslandshilfe werden um 110 Millionen Franken zugunsten der Armee gekürzt. Insgesamt will der Bund in den kommenden vier Jahren rund 9,5 Milliarden Franken für die Hilfe im Ausland zur Verfügung stellen. Eine erste Tranche von rund 5,8 Milliarden Franken geht an die Entwicklungszusammenarbeit, rund 2,2 Milliarden Franken werden für die humanitäre Hilfe eingesetzt. Weitere 1,5 Milliarden Franken gehen an die Ukraine.

Inwieweit ist die Arbeit des Heks vom Entscheid betroffen?

Was dies für unsere Organisation konkret bedeutet, ist noch unklar. 2023 erhielt das Heks für seine Auslandarbeit – inklusive humanitäre Hilfe – vom Bund insgesamt Beiträge von 15.4 Mio. Franken. Das sind 21 Prozent aller Erträge für die Auslandarbeit. Das Heks wird versuchen, eine allfällige Kürzung dieser Gelder mit eigenem Fundraising und mit Beiträgen anderer institutioneller Geldgeber auszugleichen. Falls die bislang zur Verfügung stehenden Bundesmittel aber stark gekürzt würden, hätte dies für das Heks die Reduktion oder gar Einstellung von Projekten bis hin zur Schliessung von Länderbüros und den Ausstieg aus einzelnen Programmländern zur Folge. 

Wann wird sich zeigen, was die Kürzung konkret für das Heks bedeutet?

Wann die konkreten Folgen für das Heks absehbar sind, ist schwer zu sagen. Es liegt nun an der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) zu kommunizieren, wie sie die Sparmassnahmen umsetzen will. 

Das sagen OeME und Alliance Sud

Die Enttäuschung von Heks teilen die Fachstelle Oekumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit (OeME) von Refbejuso und das Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik «Alliance Sud», zu dessen Mitgleidern auch das Heks zählt. «Positiv lässt sich höchstens festhalten, dass die Kürzung nicht ganz so hoch ausfällt wie ursprünglich befürchtet», so die OeME. Die Kürzungen stünden im Widerspruch dazu, dass es in den aktuellen Kriegs-, Not- und Krisensituationen allgemein wahrnehmbare steigende Bedürfnisse nach Hilfe und Unterstützung gebe.

Alliance Sud-Geschäftsleiter Andreas Missbach kritisiert, dass die Entscheide des Parlaments von falschen Argumenten und Zahlen geprägt gewesen seien und auf Kosten der ärmsten Länder dramatische Konsequenzen haben würden. «Das Geld, das bei der bilateralen Zusammenarbeit fehlt, wird ganz konkret bedeuten, dass weniger Schülerinnen und Schüler in Flüchtlingslagern unterrichtet werden können, Bauernfamilien eine sichere Wasserversorgung im Kampf gegen die Klimakrise und Jugendlichen ein Ausbildungsplatz fehlt und mehr Kinder hungrig zu Bett gehen.»

Bei der Internationalen Zusammenarbeit wird gespart, bei der Ukraine-Hilfe nicht. Wie beurteilt das Heks dieses Verhältnis?

Wir begrüssen es sehr, dass bei der wichtigen Ukraine-Hilfe nicht gespart wird. Dass diese aus dem Budget der regulären Entwicklungszusammenarbeit (EZA) finanziert wird, ist jedoch nicht gerecht gegenüber den Menschen in den ärmsten Ländern im globalen Süden. Damit spielen Bundesrat und Parlament das Leid der einen gegen das Leid der anderen aus. Die reiche Schweiz hätte die Mittel, die Ukraine-Hilfe zusätzlich zur EZA zu finanzieren und auf diese Weise mehr Verantwortung für Frieden und Stabilität in der Welt zu übernehmen.

Es wurde von Kritikern und Kritikerinnen der Kürzung immer wieder gesagt, sie würde dem Image der Schweiz als Land mit humanitärer Tradition schaden.

Das sehen wir auch so. Die Schweiz hat eine lange humanitäre Tradition und hat in vielen Ländern des globalen Südens langjährige stabile Partnerschaften aufgebaut, mit denen viele Erfolge im Kampf gegen Hunger und Armut erzielt wurden. Nun lässt unser Land allenfalls einige dieser Partner im Stich. Dies schadet dem Ruf der Schweiz und ihrem Image als verlässlicher und vertrauenswürdiger Partner und könnte auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den Ländern des globalen Südens beeinträchtigen. Dies ist nicht im Interesse der Schweiz und kann in den Partnerländern zu ökonomischer und sozialer Instabilität führen und damit den Migrationsdruck erhöhen.