Kritik an Israel spaltet Weltkirchenrat

Ökumene

Der Ökumenische Rat der Kirchen verurteilt nicht nur Völkerrechtsverletzungen in Gaza, er wirft Israel auch Apartheid vor. In der Schweiz geht die reformierte Kirche auf Distanz.

Eine Erklärung, die der Zentralausschuss des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) nach seiner Tagung in Johannesburg Ende Juni veröffentlichte, hat heftige Reaktionen ausgelöst. Darin verurteilt er «das System der Apartheid, das Israel dem palästinensischen Volk auferlegt und damit das Völkerrecht und das moralische Gewissen verletzt». Zudem fordert er «gezielte Sanktionen, Desinvestitionen und Waffenembargos» gegen Israel. 

Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, wirft dem ÖRK eine Dämonisierung Israels vor. Die Gleichsetzung der israelischen Politik mit Apartheid sei nicht nur historisch falsch, «sie giesst auch Öl ins Feuer des global anwachsenden Antisemitismus», schrieb er in einem Gastbeitrag für die «Welt am Sonntag». 

Konsens mit Widerspruch 

Die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS), Rita Famos, ging nach ihrer Rückkehr aus Johannesburg auf Distanz. Der Begriff der Apartheid trage nicht zu einer Lösung bei. «Er polarisiert und verhärtet Fronten.» 

Famos betont, dass die Erklärung des ÖRK im Konsensverfahren entstanden ist: «Ich habe klar erklärt, dass ich mit dem Inhalt nicht einverstanden bin, habe aber akzeptiert, dass meine Position angehört wurde und die Erklärung als Meinung der Mehrheit veröffentlicht werden kann.» Während der Verhandlungen hatte sie vergeblich vor einer Politisierung gewarnt.

Der Einfluss der Russen

Der Kurs des ÖRK ist auch vor dem Hintergrund der Klage am Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu sehen, die Südafrika gegen Israel wegen Völkermords eingereicht hat. Die Erklärung würdigt exlizit «die Führungsrolle der südafrikanischen Regierung im Streben nach Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit gegenüber dem Völkerrecht». 

Martin Hirzel, der bei der EKS für die Aussenbeziehungen verantwortlich ist, beobachtet in der Debatte innerhalb des ÖRK eine Zuspitzung. In den Kirchen des globalen Südens und auch in vielen amerikanischen Kirchen sei eine antiwestliche Haltung mehrheitsfähig. «Ohnehin ist die ökumenische Aufmerksamkeit für Palästina und Israel sehr gross.»

Viel schwieriger sei es, eine Mehrheit für eine deutliche Verurteilung der russischen Kriegsführung in der Ukraine zu organisieren, sagt Hirzel. «Denn die russische Kirche hat im Rat grossen Einfluss.» 

Kein Wort zur Hamas 

Distanziert hat sich auch die Evangelische Kirche in Deutschland: Das Schlagwort «Apartheid» beschreibe «die komplexe Realität in Israel und in den palästinensischen Gebieten nicht in geeigneter Weise». Ausserdem betont sie, dass die Hamas «eine Hauptverantwortung für die Eskalation des Kriegs» trage. 

Der ÖRK unterscheidet in seiner Erklärung zwar zwischen dem «jüdischen Volk und dem Handeln der israelischen Regierung» und will sich «entschieden gegen jede Form von Rassismus, einschliesslich Antisemitismus, antiarabischem Rassismus und Islamfeindlichkeit» stellen. Die Hamas erwähnt er jedoch mit keinem Wort.