Am 29. Mai 2025 feiert Zürich ein Stück Weltgeschichte. Mit dem internationalen Fest «Mut zur Liebe: Anabaptism@500» erinnert die Stadt an die Anfänge der Täuferbewegung, die hier vor 500 Jahren mit einem Akt zivilen Ungehorsams begann: der ersten bewussten Erwachsenentaufe. Was damals als revolutionärer Schritt im Ringen um Glaubensfreiheit begann, wurde von staatlicher und kirchlicher Seite brutal unterdrückt. Doch der Geist der Täuferinnen und Täufer überdauerte die Jahrhunderte – und lebt heute in Gemeinden auf der ganzen Welt weiter. Nun kehrt er mit Gästen aus Dutzenden Ländern an den Ursprungsort zurück. Nie zuvor hat es eine so grosse Zusammenkunft der täuferischen Gemeinschaft gegeben.
Geschichte trifft auf Gegenwart
Vor 500 Jahren wurde in Zürich die erste bewusste Taufe eines Erwachsenen vollzogen – gegen staatliches und kirchliches Gebot. Nuntreffen sich die Täufer an ihrem Ursprungsort.
Mennoniten und Amische aus den USA sind immer wieder im Raum Zürich unterwegs auf den Spuren ihrer Ahnen. (Foto: Roland Tännler)

Wer waren die Täuferinnen und Täufer?
Die sogenannte Täuferbewegung entstand Anfang 1525 als radikale Abspaltung von der Reformation. Ihre Vertreter – darunter Felix Manz, Conrad Grebel und George Blaurock – forderten eine Kirche ohne staatliche Kontrolle und eine bewusste Glaubensentscheidung, die erst im Erwachsenenalter durch die Taufe bekräftigt werden sollte. Damit stellten sie zentrale Grundsätze des damaligen religiösen und gesellschaftlichen Selbstverständnisses infrage.
Viele Täuferinnen und Täufer wurden verfolgt, vertrieben oder getötet – in Zürich etwa wurde Felix Manz 1527 in der Limmat ertränkt. Und doch verbreitete sich die Bewegung rasch. Heute umfasst die weltweite Täuferbewegung drei Hauptgruppen: Mennoniten, Hutterer und Amische. Die Mennoniten sind die grösste Gruppe und engagieren sich weltweit in Friedensarbeit, Bildung und Entwicklungshilfe. Die Hutterer leben in gemeinschaftlichen Siedlungen, vor allem in Nordamerika, und praktizieren Gütergemeinschaft. Die Amischen, bekannt für ihre schlichte Lebensweise ohne moderne Technik, halten besonders stark an traditionellen Ordnungen fest.
Ein zentrales, verbindendes Merkmal täuferischer Kirchen ist der Gewaltverzicht, oft verbunden mit der Weigerung, Kriegsdienst zu leisten. In einer Zeit, in der Friedensethik neu verhandelt wird und die Zeichen auf militärische Aufrüstung stehen, gewinnt diese Haltung neue Aktualität und stellt eine Herausforderung dar.
Ein Fest auf der Versöhnung
Der Festtag in Zürich, organisiert von der Mennonitischen Weltkonferenz, bildet den symbolischen Höhepunkt des Jubiläumsjahres. 500 Jahre nach Beginn der Täuferbewegung markiert er auch einen Meilenstein in der Annäherung zwischen der reformierten Kirche und den Täufern – ein Prozess, der erst in den letzten Jahrzehnten in Gang gekommen ist.
Als die Zürcher Landeskirche 2004 den 500. Geburtstag von Heinrich Bullinger feierte – einem scharfen Gegner der Täufer – legte der damalige Kirchenratspräsident Ruedi Reich ein Schuldbekenntnis ab und bezeichnete die Verfolgung der Täufer als Verrat am Evangelium. Am Ufer der Limmat, wo nebst Felix Manz fünf weitere Täufer ertränkt und Hans Landis geköpft wurden, brachte der Stadtrat eine Gedenktafel an – ein Schritt, der der Mennonitischen Weltkonferenz 1952 noch verweigert worden war.
«Die Feier des Täuferjubiläums ist eine Frucht des Versöhnungsprozesses zwischen Reformierten und Täufern», sagt Peter Dettwiler, pensionierter Pfarrer und ehemaliges Mitglied der reformiert-mennonitischen Gedenkkommission. Nach den Jubiläen zu Luther und Zwingli sei dieses das dritte grosse Reformationsjubiläum. «Ich hoffe, dass die Reformierten diesen denkwürdigen Moment wahrnehmen, schliesslich sind unsere beiden Glaubensgemeinschaften fast gleichzeitig entstanden. Wir sind gewissermassen Zwillinge.»
Per Aufkleber andere Täufer erkennen
Der Festtag wird von einem vielseitigen Programm begleitet: Workshops zu Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung, musikalische Beiträge, Theater und Führungen zu historischen Täuferorten in der Stadt. Ein Höhepunkt ist der ökumenische Gottesdienst im Grossmünster, der in drei weitere Kirchen übertragen wird – ein Moment, in dem sich Geschichte und Gegenwart berühren. Per Livestream können auch Täuferinnen und Täufer weltweit teilnehmen, die nicht nach Zürich reisen können.
Die Organisatoren erwarten rund 3000 Teilnehmende, viele aus den USA, Kanada, Südamerika und Deutschland. Für sie stehen Übernachtungsplätze bei 220 Gastfamilien bereit. Viele reisen in Gruppen an und verbinden das Fest mit Besuchen bei Täufergemeinden im Emmental oder Berner Jura. Um den Austausch untereinander zu fördern, erhalten die Teilnehmenden Aufkleber für ihre Kleidung.
«An diesem Tag wird die Vielfalt der Mennoniten auf einzigartige Weise sichtbar», sagt Peter Dettwiler.
Detailliertes Programm unter www.anabaptism500.ch