Abstecher in die Abgeschiedenheit

Spirituelle Wege

Kurz mal Einsiedlerin sein – ein Themenweg in der Kartause Ittingen lädt ein, sich wie Niklaus von Flüe zurückzuziehen und sich auf sich selber und seine Fragen zu besinnen.

Es ist kein spektakulärer Wanderweg, der mich an landschaftlichen Höhepunkten und Kulturdenkmälern vorbeiführt. Eher führt er aus einem solchen hinaus: Die sogenannte «Ranft-Route» ist ein kurzer Themenweg, der im Hof der Kartause Ittingen in der Nähe von Frauenfeld (TG) beginnt und dessen Ziel hinter der Klosteranlage liegt. 

Zu deren seitlichem Tor hinaus folge ich der ausgeschilderten Route via Parkplatz über einen Feldweg an Holzstössen vorbei und gelange an einen kleinen Teich. Der Ort entbehrt nicht einer gewissen Lauschigkeit, doch wirkt er auch schlicht bescheiden. Es hat Holzbänke auf denen man sich niederlassen kann. Was soll man hier?

Die einstigen Mönche des Klosters Ittingen beschäftigten sich offenbar intensiv mit Bruder Klaus oder Niklaus von Flüe (1417-1478), dem Einsiedler vom Flüeli Ranft im Kanton Obwalden. Die Klosterbibliothek beherbergt Bücher über ihn, das Kloster besitzt eine Bruder Klaus-Reliquie und im Refektorium, dem Speisesaal des Klosters, gibt es ein Gemälde mit einer Darstellung von ihm. Das Interesse an seiner Person ist naheliegend, denn in ihren Zellen führten die Kartäusermönche ein eremitisches Leben, wie Klaus in seiner Klause. Die Ranft-Route bietet den heutigen Besucherinnen und Besuchern des Klosters die Möglichkeit, Bruder Klaus ebenfalls nachzuspüren.

Serie: Wanderwege mit spirituellem Bonus

Der Herbst lädt ein mit Farbenpracht und angenehmen Temperaturen: Zu Fuss die Welt auch nahe der Haustür zu entdecken. Die Berner Redaktion von «reformiert.» hat als Inspiration ein paar Vorschläge rekognosziert, die nicht nur frische Luft und Aussichten bieten, sondern zudem Erkenntnisse zu Religion, Glauben und Spiritualität.

Der Weg zum «Ittinger Ranft» passt: Bruder Klaus liess sich gemäss Wikipedia unweit seines Hauses, in dem seine Frau Dorothee und die gemeinsamen Kinder weiterhin lebten, in einer Klause in der Ranftschlucht nieder, um dort als Eremit zu leben. Auch die Ranft-Route führt in kurzer Distanz an einen abgeschiedenen Ort, der zur Reflexion, zur Stille oder auch zum Gebet einlädt. 

Ich lege mich auf einen der Bänke und lasse die stille Atmosphäre des Ortes auf mich wirken. Das leise Plätschern des Bächleins, das den Teich speist, und krächzende Krähen, die geräuschvoll im Geäst des angrenzenden Waldes herumturnen, beleben sie etwas. Und auch ein paar Flugzeuge. «Aha», denke ich, «auch Bruder Klaus mag in seiner Abgeschiedenheit noch so Einiges von seiner Umwelt und den Tätigkeiten seiner Mitmenschen mitbekommen haben.» 

Das Weltgeschehen spielt sich auch in der Einsamkeit ab

Tatsächlich soll sich der 1947 heiliggesprochene Schutzpatron der Schweiz nach wie vor – er war vor seiner Zeit als Einsiedler (wohlhabender) Bauer, Ratsherr des Kantons und Richter seiner Gemeinde – für weltliche Dinge, insbesondere Politik interessiert haben und in solchen Angelegenheiten auch um Rat gefragt worden sein.

Um Rat fragen bezüglich ihrer Weltsorgen tut auch Lena, eine fiktive junge Frau aus Bern, die eine Zeitreise ins 15. Jahrhundert macht und sich mit Niklaus und Dorothee von Flüe über ihre Fragen und Zweifel unterhält. Der Tonkünstler und Texter Reto Friedmann hat für den Flüeli-Ranft eine sogenannte Tonspur geschaffen, die er für den Ittinger Ranft adaptiert hat. Via QR-Code kann man sich das Hörspiel auf dem Smartphone anhören. Das mache ich, mit Blick in die Blätter über mir. 

Da es schon am Eindunkeln ist und langsam kühl wird, nehme ich mir aber nicht die volle etwas über eine Stunde Zeit, die das Hörspiel dauert. Ich höre also einfach ein bisschen rein. Mein Fazit: Wenn man sowas mag, ist es sicher gut gemacht. Für meinen Geschmack ist das Erzähltempo zu langsam, die Aussage des Ganzen etwas zu kryptisch. Und würde ich mir das Ganze Stück anhören, würde es mir an diesem Ort wohl schnell langweilig werden oder die nahen Klostermauern, die die Sicht in die Ferne versperren, würden beginnen mich erdrückend zu dünken.

Ich amüsiere mich also lieber noch ein bisschen über die lautstarken Krähen und kehre dann zurück in den Klosterhof. Für einen kurzen Moment der Ruhe und ein bisschen Bewegung am Abend eines Seminartages war der kleine Ausflug aber wohltuend.

Eine Wegkarte kann hier heruntergeladen und das Hörspiel  hier gehört werden.