Der Stachel im Fleisch der Reformation

Täufer

Indem er über die Geschichte hinausgeht und zuweilen die Kontroverse sucht, gelingt Christian Scheidegger ein lesenswertes Buch über die Täuferbewegung, die von Zürich ausging.

Christian Scheidegger will die Geschichte anders erzählen. Er schildert die massiven Umbrüche in Kirche und Politik vor 500 Jahren aus der Sicht der Täuferbewegung, jenem radikalen Zweig der Zürcher Reformation, der sich trotz brutaler Verfolgung weit verzweigte und immer wieder neue Blüten trieb.

Anschaulich schildert der Historiker, wie die Bewunderung der Täufer «in komplette Ablehnung» umschlug, als Reformator Huldrych Zwingli an einer «aus der Konkursmasse der mittelalterlichen Kirche finanzierten Staatskirche» baute.

Wachstum durch Spaltung

Die Täufer verlangten die religiöse Revolution, den radikalen Neubeginn, eine neue Kirche, die auf das individuelle Bekenntnis setzt und die Kindstaufe abschafft. Zwingli hingegen wollte die Kirche nur vom Papsttum und dem Heiligenkult befreien, «sie reformieren in der Überzeugung, die alte Kirche sei gesund gewesen». Die Spaltung war unausweichlich. Und die Spaltung zog sich als Leitfaden durch die Täufergeschichte. Bereits ihr erstes Bekenntnis zog enge Grenzen.

Eindringlich warnt Scheidegger davor, eine Kirchentrennung «rein negativ als Skandal» zu betrachten. Vielmehr beschleunige die konfessionelle Vielfalt das Wachstum der christlichen Kirche bis heute.

Plädoyer für Pluralismus

Als Pioniere einer notwendigen Trennung beschreibt der Autor die Täufer auch mit Blick auf Kirche und Staat. Früh hätten sie «mit der überkommenen Einheit von Kirche, Gesellschaft und politischem Gemeinwesen» gebrochen und so den Weg zur Religionsfreiheit geebnet.

Vor dem Hintergrund der Täufergeschichte plädiert Scheidegger für eine neutrale Religionspolitik, die eine plurale Religionslandschaft gedeihen lässt. Deshalb kritisiert er das Minarettverbot ebenso wie den Versuch des Staats, im Bildungswesen «mit einer zivilreligiösen Erziehung Einheitlichkeit herzustellen».

Polemisch und inspirierend

Die Thesen zu aktuellen Fragen der Religionspolitik und Bildung fordern zur Debatte heraus, sind aber nachvollziehbar und klug hergeleitet. Als Scheidegger jedoch von der «unausweichlichen Selbstsäkularisierung» der Landeskirchen spricht, verfällt er in argumentationsarme Polemik. Er unterstellt ihnen pauschal ein «Christentum ohne Christus», wenn er ihre Stellungnahmen zu politischen Fragen kritisiert.

Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, ob Positionierungen der Kirchen in politischen und ethischen Fragen einer kritischen Prüfung standhalten. Doch wer sich die Mühe macht, die Botschaften der Kirchen und ihrer Hilfswerke tatsächlich zu lesen, erkennt, dass sie aus theologischer Sicht argumentieren und auch unpopuläre Positionen vertreten. 

Revolutionärer Geist

Freilich sind es gerade solche Zuspitzungen, die das Buch lesenswert machen: Indem sie inspirieren und irritieren, atmen sie jenen revolutionären Geist des Täufertums, der etablierte Strukturen auf die Probe stellt.

Christian Scheidegger: Revolutionäre des Glaubens. Die unerhörte Geschichte  der Schweizer Täufer. Fontis-Verlag, 2025