Sie sind ein Dichterpfarrer oder Pfarrerdichter. Wo treffen diese Welten aufeinander?
Christian Lehnert: Die Theologie ist in ihrem Wesen lyrisch-poetisch. Sie spricht von Dingen, die man nicht einfach sprachlich abbilden kann. Die Lyrik sucht eine Sprache für die Welt, wo ich sie nicht verstehe. Als Christ strebe ich danach, Gott immer näher zu kommen, aber alle Ausdrucksformen, um ihn zu beschreiben, sind untauglich. Da kommt man in der Theologie zur Poesie, denn beide sind nichts anderes als eine Suche nach Sprache, wo ich nicht reden und auch nicht schwiegen kann.
Fehlt Ihnen die poetische Dimension in modernen Gottesdiensten?
Die vermisse ich in der Tat. Wir leben in einer Zeit grosser Unsicherheiten. Wir neigen dazu, uns in unseren Weltvorstellungen abzuschotten. Deshalb werden Gottesdienste gern als Ort der Beheimatung verstanden, aber wenn es sich dabei wirklich um Gott handelt, müssen sie auch radikal befremden, dann muss in ihnen mehr geschehen, als ich sagen kann.
Wohnt dieser Sprache Gott inne?
Auch Gott kann Heimat sein. Aber mit Gott haben wir es mit einer Grösse zu tun, die radikal grösser ist als alles, was wir uns vorstellen können. Allein das Wort «Gott» bezeichnet in der Sprache nichts. Das fühlt sich erst mal wie eine Dauerirritation an. Man möchte fragen: Wer bist du eigentlich? Um uns der Antwort zu nähern, brauchen wir Sprachformen, die das Unsagbare zum Ausdruck bringen. Beheimatung geschieht erst jenseits unserer Vorstellung.