Gesellschaft 26. August 2025, von Stefan Welzel

Zwischen Braukessel und Spiritualität

Männerarbeit

Manche Kirchgemeinden wollen mit ihren Angeboten mehr Männer abholen. In Jona zum Beispiel sind die Bierbrauer von Zwingli-Spoiz am Werk. 

Das Thermometer zeigt 30 Grad an. In Rapperswil-Jona ist man Mitte August am besten bedient, wenn man sich an den Zürichsee begibt. Vielleicht mit einem Bier aus der Kühlbox in der Hand. Rund ein Dutzend Männer im evangelischen Kirchenzentrum an der Zwinglistrasse 30 will davon nichts wissen. Sie schicken sich an diesem Samstag an, den Gerstensaft zu brauen, und nicht, ihn in geselliger Runde zu trinken. Zumindest noch nicht.

Seit vier Jahren gibt es den Verein Zwingli-Spoiz. Er ist Teil der Männerarbeit der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Rapperswil-Jona, wie im Zweckartikel der Statuten steht. Ganz am Anfang steht aber der Hauptgrund, weshalb die Männer zusammenkommen: «Es wird gemeinsam Bier gebraut.»

Initiant des Vereins ist der Diakon Matthias Bertschi, ein Experte, wenn es darum geht, Männer für kirchliche Angebote und ein Engagement im seelsorgerisch-sozialen Bereich zu begeistern. Ein vermeintlich schwieriges Unterfangen, denn nicht nur gefühlt sind Männer in der gemeinnützigen Kirchenarbeit untervertreten, sondern auch mit Blick auf die Statistik. 

Bibel-Input vor dem Brauen

Laut dem letzten Freiwilligen-Monitor der Schweizer Arbeitskräfteerhebung sind fast zwei Drittel der Personen, die sich in kirchlichen Organisationen engagieren, weiblich. Simone Siegenthaler ist bei der Reformierten Kirche Kanton Zürich zuständig für den Bereich Partizipation und Freiwillige. Sie betont, dass sich «in der Care-Arbeit klassischerweise mehr Frauen einbringen». Entsprechend leisteten sie in diesem Bereich auch grundsätzlich mehr unentgeltliche Arbeit.

Gesamtgesellschaftlich sind die Zahlen in der Freiwilligenarbeit geschlechterbezogen zwar ausgeglichen. Es fällt aber auf, dass der Männeranteil vor allem in Sportvereinen prozentual wie auch in absoluten Zahlen sehr hoch ist. Brauchen Männer den sportlichen Wettkampf oder abenteuerliches Wandern, um sich in einer Gemeinschaft einzubringen? Oder andersherum: Warum hängt freiwilligem Engagement und spirituellem Austausch das Klischee an, überwiegend etwas für Frauen zu sein?

Die Runde am Festbanktisch in Rapperswil-Jona, nebst Bertschi bestehend aus Zwingli-Spoiz-Vereinspräsident Mathias Rieben und dem Kassier Christian Helbling, sieht es differenzierter. Sie verbinden ihre Leidenschaft und den Spass an der Sache mit einem guten Zweck und dem Anspruch, sich ungezwungen auch mal in persönlichen oder religiösen Fragen untereinander auszutauschen. Die Zwingli-Spoizer sind somit gleichzeitig Teilnehmer einer kirchlichen Männergruppe als auch engagierte Freiwillige.
«Ich scheue mich vor Pauschalisierungen. Aber Männer müssen sich eher in einem bestimmten Setting wohlfühlen, um sich öffnen zu können. Sei es, um über die persönliche, psychische Gesundheit zu sprechen oder über Glaubensfragen», sagt Rieben.

Bei den Männern von Zwingli-Spoiz passt das Setting – die Atmosphäre ist gelöst. Beim Abfüllen des Biers in der Küche wird gefachsimpelt und viel gescherzt. Aber es gibt eben auch eine Besonderheit: Vor jedem Brautag gibt Matthias Bertschi seinen Mitstreitern einen Input aus der Bibel mit auf den Weg. «Wir sprechen in unserer Gruppe tatsächlich über Gott und die Welt», sagt Helbling. 

«Wir sprechen in unserer Gruppe tatsächlich über Gott und die Welt.»
Christian Helbling, Kassier des Vereins Zwingli-Spoiz

Experte sieht freiwillige Männerarbeit im leichten Aufschwung

Niederschwelligkeit ist ein Begriff, der im Gespräch oft fällt. «Der heutige Abend ist ein gutes Beispiel, wie wir Männer erreichen», meint Bertschi. Ein paar Stunden nach dem letzten Brauakt steigt das Sommerfest des Vereins. Mit Musik, Grill – und natürlich mit selbst gemachtem Bier. Ungefähr zwei Drittel des Verkaufserlöses gehen an den Verein La Vega und die Streetchurch mit dem Projekt Lakay, das in Haiti Strassenkinder unterstützt.

Bertschi: «Wenn Männer hier bei uns sehen, dass andere Männer so etwas tun, dann wird es auf einmal interessant.» Rieben, Helbling und Bertschi sind sich einig darin, dass man Männer am besten mit einer praktischen Tätigkeit abholt, die ihren Interessen entgegenkommt. Im Kreis zu sitzen und sich über Gefühle auszutauschen, das sei nicht unbedingt das, wozu ein Mann einfach so fähig sei.

Christoph Walser, Theologe sowie Experte für Männerarbeit und Burnout-Prävention, bestätigt dies. «Vorab im Bereich Spiritualität lassen sich kaum Männer ansprechen. Dabei ist das bei uns in der Kirche eigentlich die Stärke.» Walser führt aus, dass solche Angebote und Vereine wie Zwingli-Spoiz eine greifbare Tätigkeit mit Geselligkeit, Seelsorge und einem sozialen Projekt verbinden. «Auf diese Weise gelingt es, Männer anzusprechen, die sich sonst nicht angesprochen fühlen.»
Walser ortet bei der freiwilligen Männerarbeit einen leichten Aufschwung. So will eine neue Fachgruppe im Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen explizit die kirchliche Männerarbeit voranbringen. Auch Simone Siegenthaler verweist auf einige neue Angebote in Kirchgemeinden im Kanton Zürich, die zwar nicht nur, aber vor allem auch Männer ansprechen sollen.