Ein früher Sommertag in Ramsen. Die sanften Hügel des Schaffhauser Hinterlands erscheinen in warmem Licht, in der Ferne blühen Linden und Holunder. Das kleine Dorf liegt ganz im Norden des Kantons an der Grenze zu Deutschland. Vor seinen Toren, etwas abgelegen in den Feldern, steht ein ländliches Anwesen. Was einst ein Gasthof für Fernfahrer war, ist heute eine einzigartige soziale Institution: der Spiesshof, eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft auf solidarischer Basis.
Geleitet wird dieser Betrieb seit 2004 von Ilona Sieber, diplomierte Pflegefachfrau mit Spezialisierung in Sozialpsychiatrie und Tochter des legendären Zürcher Obdachlosenpfarrers Ernst Sieber.
Heute hat sich der Hof für Besuch herausgeputzt. Ein paar Männer sitzen unter der Veranda, unter einem Baum auf dem weitläufigen Gelände ist ein langer Tisch gedeckt. Frisch gebackene Pizza liegt auf Blechen, es duftet nach Tomaten und Oregano. Gerade bringt Mario, in seinen Fünfzigern, Glatze und Karohemd mit hochgekrempelten Ärmeln, das letzte Blech aus der Küche. Fast 20 Jahre lebt er bereits hier, so lange wie kein anderer. «Klar habe ich den Teig selber gemacht», sagt er, als wäre es das Normalste der Welt.
Täglich zur Mittagszeit wird gemeinsam gegessen. Ilona Sieber, voller Energie und Präsenz, ihre rote Bluse leuchtet so wie Mohn in der Landschaft, legt Wert auf Struktur. Sie spricht ein kurzes, eindringliches Gebet: «Dis Brot isch guet, gib eus de Muet, mitenand z teile.»
Alle packen mit an.