Ohne das «und» gibt es ihn nicht

Generationen

Elias Rüegsegger hat das Generationentandem erfunden.  Der Familienmensch heilt mit dem Begegnungsprojekt auch eigene Wunden. 

Elias Rüegsegger gibt es nur in Kombination mit dem Wort «und». Er wählte es als Gymnasiast und Jungjournalist als Titel für seine Maturaarbeit, die ein generationenübergreifendes Printmagazin war. Verfasst wurden die Texte jeweils von einer Person unter 25 Jahren und einer über 60. Heute ist «Und Generationentandem» eine eigene Marke und sie ist untrennbar mit dem 30-Jährigen verbunden. 

Das Projekt ist in zwölf Jahren selbst um einige «und» gewachsen. Inzwischen betreibt das Generationentandem etwa das Begegnungszentrum Offenes Höchhus im bernischen Steffisburg. Der Verein lädt zu gesellschaftspolitischen Veranstaltungen ein. Gibt ein Magazin heraus. Organisiert Kurse zur digitalen Teilhabe, ein Generationenfestival, Kerzenziehen an Weihnachtsmärkten. Und, und, und. 

Meister der Improvisation 

Stopp! Wie kann ein Mensch das alles unter einen Hut bringen? Elias Rüegsegger lächelt bei dieser Frage: «Weil viele andere Menschen dabei helfen.» «Und» sei schon lange nicht mehr nur sein Baby. 

Rüegsegger wirkt entspannt und auf das Gespräch fokussiert, obwohl um ihn herum ein rechtes Gewusel herrscht. In der Küche des «Höchhus» klappern die Töpfen, sein Team macht am Nebentisch Kaffeepause, ein älterer Herr will wissen, wo «diese Diskussion» stattfinde. 

«Die war gestern Abend», klärt Rüegsegger auf. «Nein, die ist heute Vormittag», beharrt der Gast. Er habe sich das ja aufgeschrieben. Rüegsegger löst das Missverständnis mit Engelsgeduld auf. «Aber Sie finden bestimmt auch jetzt jemanden zum Diskutieren.» Der Gast bleibt, bestellt einen Kaffee und debattiert wenig später mit einem anderen über die Wahl von Donald Trump. 

Wir mussten oft improvisieren, und inzwischen können wir das richtig gut.
Elias Rüegsegger

Das kleine Beispiel zeigt, wie und weshalb «Und» funktioniert. «Wir mussten oft improvisieren, und inzwischen können wir das richtig gut», sagt Elias Rüegsegger. 

«Und» gründet auch in seiner eigenen Biografie, in der Familie und Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielen. Aufgewachsen ist er mit einer Schwester in der Nähe von Thun.

Die Eltern unterrichteten in der Dorfschule. Verheiratet ist Elias mit seiner langjährigen Partnerin, die er schon seit dem Gymnasium kennt. Die Familie versammelte sich oft zu grossen Treffen. Alle Generationen beisammen, darüber dachte er damals nicht gross nach. 

Gegen die Machtlosigkeit 

Der erste von mehreren Schicksalsschlägen veränderte das Familienleben. Elias’ Schwester nahm sich nach langer psychischer Leidenszeit das Leben. «Sie litt daran, sich in der Welt, in der Gesellschaft, nicht zugehörig zu fühlen», erzählt er. Seine Idee, Menschen zusammenzubringen, Gespräche zu fördern, sich gegenseitig zu helfen, hat auch Wurzeln in diesem Verlust. 

Ab nächstem Jahr wird Rüegsegger mit 80 Prozent für «Und Generationentandem» arbeiten. Finanziert wird das Projekt vom gleichnamigen Verein, der 550 Mitglieder zählt. Von der Gymnasiastin bis zum Hochbetagten engagieren sich 150 Freiwillige: im Sprachcafé, an Tanzanlässen, im Generationentalk oder, wie der älteste Helfer, für den Pizzaplausch. Der 95-Jährige stellt jede Woche circa 20 Kilogramm Pizzateig her. 

Elias Rüegsegger sieht sich selbst als «Rückgrat» des Projekts. Nach einem nicht abgeschlossenen Theologiestudium hat er sich im Bereich Führung weitergebildet. 

In einer Welt, in der man im Grossen machtlos ist, tut es gut, dort etwas zu bewegen, wo es möglich ist.
Elias Rüegsegger

Seine Arbeit mache ihn zufrieden, sagt Elias Rüegsegger. «In einer Welt, in der man im Grossen machtlos ist, tut es gut, dort etwas zu bewegen, wo es möglich ist.» 

Ändern würde er inzwischen den Namen seiner Maturaarbeit. «Wir sind ein Generationenprojekt, weil wir die Generationen eben nicht schubladisieren.» Er und sein Team holen Menschen aus ihren jeweiligen Lebenswelten heraus. Damit sie merken, «dass sie mehr verbindet als trennt».