Die Polizeistatistiken sprechen eine deutliche Sprache: Gewalttaten werden viel häufiger von Männern begangen als von Frauen. Was die Ursachen sind, weiss das Mannebüro Züri: Die Fachstelle hat sich auf Männergewalt spezialisiert und berät in ihrem Büro an der Zürcher Langstrasse unter anderem Männer, die Gewalt anwandten oder selbst erlitten. Wenn ein Mann im Kanton Zürich wegen Gewalttätigkeit ins Visier der Polizei gerät, kann es sein, dass er dorthin geschickt wird.
Geschäftsleiter des Mannebüros ist seit zehn Jahren Mike Mottl. Er sagt, dass die Gewaltberatungen seines Teams sehr erfolgreich seien, jedoch: «Wir erreichten damit bisher nur Männer aus dem westeuropäischen Raum.» An Tamilen, Eritreer oder Brasilianer etwa seien sie nicht herangekommen. Ein bedeutendes Hindernis war die Sprache. «Eine Gewaltberatung ist sehr persönlich. Sie funktioniert nicht mit einem Dolmetscher», erklärt Mottl.
Mehrsprachige Beratungen
Deshalb lancierte das Mannebüro 2022 interkulturelle Gewaltberatungen: Acht Männer aus verschiedenen Herkunftsländern mit entsprechenden Sprachkompetenzen und einer Ausbildung im sozialen Bereich wurden als Gewaltberater ausgebildet. Somit kann das Mannebüro in rund einem Dutzend zusätzlichen Sprachen begleiten und informieren.
Einer der neuen Berater ist der gebürtige Tamile Jathurshan Premachandran. Der 39-jährige Sozialarbeiter kennt Flucht und Migration aus seiner eigenen Erfahrung. Seit dem Start im Mannebüro hat er vier Klienten beraten. Zu solchen Angeboten fänden Migranten schwerer Zugang als Männer, die schon länger in der Schweiz leben, bestätigt auch Premachandran.
«Die erste Einwanderergeneration der Tamilen lebt immer noch sehr unter sich und ist für das Thema Gewalt nicht sensibilisiert», so Premachandran. Da viele der Männer keine Schweizer Landessprache beherrschten, seien sie nicht gut informiert über hiesige Rechte und Pflichten und Beratungsangebote.
Skeptisch, dann dankbar
Manche seiner Klienten sind dankbar, mit ihm in der Muttersprache sprechen zu können. Allerdings befürchten einige, dass er viele Tamilen kenne und ihnen das ihm Anvertraute weitererzähle. «Aber ich stehe unter Schweigepflicht», betont er.
Manche Klienten des Mannebüros kommen aus eigenem Antrieb. Andere werden von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, der Staatsanwaltschaft oder dem Bewährungs- und Vollzugsdienst für eine Gewaltberatung zugewiesen. Grundsätzlich ist die Gewaltberatung im Mannebüro freiwillig. Nach einem Erstgespräch kann sich der Klient entscheiden, ob er weiterhin in die Beratung kommen will. Er kann sie jederzeit abbrechen.
«In den Sitzungen lernen die Klienten zunächst, dass Gewalt nicht nur körperliche Auseinandersetzungen umfasst, sondern auch psychische», sagt Berater Premachandran. «Etwa, zu Hause laut zu sein gegenüber Kindern und Ehefrauen.»