Mit Broccoli den Seelenhunger stillen

Seelentankstelle

Beim Kochen sind alle Sinne involviert. Die Sinneseindrücke holen einen in den Moment. Und die Seele erfährt, dass für sie gesorgt wird.

Ehrlich gesagt: Es hat keinen Spass gemacht, dem teuren Demeter-Broccoli aus dem Gemüse-Abo-Korb fast die ganzen Köpfchen abrüsten zu müssen, weil sich bereits ein paar Kleinsttiere daran gütlich getan hatten. Und es hat gedauert. Doch immerhin war ich dabei ganz in diese Tätigkeit versunken und habe den hinter mir liegenden Arbeitstag vergessen können. 

Und dann stand da vor mir auf dem Tisch dieser Teller voller mundgerechter Broccolistücke, dazu, ebenfalls zerkleinert, ein paar grüne Bohnen aus dem eigenen Garten und ein Fenchel aus dem Gemüse-Korb. In mir regte sich Freude. 

Wir präsentieren: Seelentankstellen

Wir alle kennen Orte, an denen wir im Alltag kurz innehalten und neue Energie schöpfen können. Oder Tätigkeiten, die uns beruhigen, erden und mit neuem Schwung weitermachen lassen. Die Berner Redaktionsmitglieder von «reformiert.» erzählen in dieser herbstlichen Serie von ihren persönlichen Seelentankstellen. Lassen Sie sich überraschen oder inspirieren! Weitere Beiträge finden Sie unten verlinkt.

Wenn ich Zeit habe, um mich so richtig aufs Kochen einzulassen, dann zählt am Schluss nicht nur die Zufriedenheit des Bauches. Alle meine Sinne kommen dabei während des ganzen Prozesses auf ihre Kosten.

Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Sehen

Meine Augen freuen sich am Glänzen von Öl, Fischhaut und Wasser, dem bunten Leuchten von Mais, Tomaten und Karotten. Sie erkunden neugierig die Formen, Strukturen und Musterungen von Gemüse, Pilzen und Getreide.

Meine Hände fühlen Trockenes, Nasses, Glitschiges, Klebriges, Hartes, Weiches, Scharfes, Stumpfes, Holz, Metall, Plastik und Glas. Mal packen sie kräftig an, mal klauben sie etwas behutsam auf.

Und bei all dem mit dabei ist meine Seele, die zuschaut, zuhört, mitriecht, mitschmeckt und mitfühlt, wie letzten Endes nicht nur für die Bäuche, sondern auch für sie, die Seele gesorgt wird.

Meine Nase kitzelt der Geruch der frisch geschnittenen Kräuter und jener, der dem dampfenden Kochtopf entsteigt. Oder auch der Gestank von Angebranntem.

Meine Ohren hören wie Reis rieselt, Wasser aus dem Hahn plätschert, Fleisch brutzelt, der Sparschäler scheppert, der Dampfabzug rauscht oder Besteck klappert. Und auch wie das Radio dudelt und mein Mann von seinem Tag im Büro erzählt.

Mein Gaumen kostet von rohem Gemüse, noch zu harter Pasta, gerade richtig gewürzter Salatsosse und am Schluss vom ganzen Gericht, mit vollem Munde.  Er spürt Kälte, Wärme, unterschiedliche Texturen, schmeckt süss, salzig, sauer, bitter und umami.

Bei sich ankommen

Im Zusammenspiel meiner Sinne steuere ich meine Kocherei auf das bestmögliche Resultat zu, vertraue auf meine Erfahrung, meinen momentanen Appetit, meine Gelüste und mein Bauchgefühl. Dabei komme ich ganz zu mir und spüre meinen Körper.

Und bei all dem mit dabei ist meine Seele, die zuschaut, zuhört, mitriecht, mitschmeckt und mitfühlt, wie letzten Endes nicht nur für die Bäuche, sondern auch für sie, die Seele gesorgt wird. Wie ich mir Mühe gebe, dass sie und auch die Seele meines Liebsten von diesem Gericht genährt, gestärkt, erfreut und damit verwöhnt wird. 

Ein Topf voll Soul Food

Kochen ist für mich eine Form von Liebe, wenn auch manchmal eine sehr pragmatisch ausgeführte, die vor allem den leiblichen Hunger stillt. Aber wenn ich mir richtig Zeit dafür nehmen kann, dann tankt dabei auch meine liebeshungrige Seele auf.