Konzerne mit Sitz in der Schweiz sowie ihre Tochterfirmen müssen bei Geschäften im Ausland die Menschenrechte und Umweltvorgaben einhalten. Geschieht dies nicht, sollen sie in der Schweiz haftbar gemacht werden können. Dies verlangt die Konzernverantwortungsinitiative.
Der Nationalrat arbeitete dazu einen Gegenvorschlag aus, den die Rechtskommission des Ständerates überarbeitete. Dass der Ständerat das Thema nun nicht einmal debattieren wollte, bedauert Lorenz Kummer, Mediensprecher bei «Brot für alle» Bfa. «Wir sind der Meinung, dass der Gegenvorschlag des Nationalrats ausgewogen ist und beiden Seiten gerecht wird. Das starke Lobbying der Wirtschaftsverbände hat diesen Kompromiss verhindert.»
Gegen erpresserische Klagen
Die Initianten kündigten an, die Initiative zurückzuziehen, wenn beide Parlamente den Gegenvorschlag des Nationalrats annehmen. Auf den Vorschlag der vorberatenden Kommission des Ständerats, das Subsidiaritätsprinzip einzuführen, wollten sie sich hingegen nicht einlassen. Demnach sollten Unternehmen in der Schweiz nur dann belangt werden können, wenn die Kläger glaubhaft machen, dass eine Klage gegen die Tochterfirma im Ausland erheblich erschwert ist. Dies soll die Unternehmen vor «erpresserischen Klagen» schützen.
Die Initianten sagen, die Kommission habe den Gegenvorschlag auf Druck der Wirtschaft, insbesondere der Verbände Swissholdings und Economiesuisse, verwässert. «Die Bedenken der Gegner leuchten nicht ein, ihre Argumente sind nicht ganz ehrlich», findet Lorenz Kummer.
Unterstützung aus der Wirtschaft
Während die multinationalen Konzerne und die grossen Wirtschaftsverbände die Konzernverantwortungsinitiative bekämpfen, wird sie von anderen Schweizer Unternehmen unterstützt. Etwa von der Pestalozzi Gruppe. Dietrich Pestalozzi ist Verwaltungsratspräsident des Zürcher Familienunternehmens für Stahl- und Haustechnik. Er hat die Diskussion im Ständerat von der Tribüne aus verfolgt. «Die Subsidiaritätsregel hätte eine Haftungsklage als Sanktion praktisch verunmöglicht. Ein so zahnloses Gesetz wäre wirkungslos gewesen», sagt er.
Pestalozzi stimme aber auch FDP-Ständerat Ruedi Noser zu, der aus demokratiepolitischen Überlegungen grundsätzlich für die Durchführung einer Volksabstimmung plädierte. «Die an die Verfassungsänderung anschliessende Erweiterung der Haftung im Obligationenrecht, wie sie die Konzernverantwortungsinitiative verlangt, ist dann besser legitimiert», meint Pestalozzi.
Dietrich Pestalozzi ist Vorstandsmitglied des «Wirtschaftskomitees für verantwortungsvolle Unternehmen». Für ihn liegt die Konzernverantwortungsinitiative im Interesse der Schweizer Wirtschaft. «Einerseits geht es um die Reputation der Schweiz als Standort von Konzernen, die sich gemäss den internationalen Leitlinien verhalten sollten. Andererseits darf der Ruf der Wirtschaft bei der zunehmend globalisierungskritischen Bevölkerung nicht noch mehr leiden.»
Start der Abstimmungskampagne planen
Nachdem sich die Gegner im Ständerat durchgesetzt haben, sieht es nun danach aus, dass die Konzernverantwortungsinitiative ohne Gegenvorschlag vors Volk kommt. Zwar könnte der Nationalrat den Gegenvorschlag nochmals aufgreifen, sehr wahrscheinlich sei dies jedoch nicht, so die Einschätzung von Lorenz Kummer.
Frühester Abstimmungstermin ist im Februar 2020. «Sobald der Termin definitiv ist, geht der Abstimmungskampf los. Es wird nun unsere Aufgabe sein, in den nächsten Monaten eine gute Abstimmungskampagne vorzubereiten», sagt Kummer.
Chancen für die Initiative stehen gut
Der Abstimmung sieht man bei Bfa optimistisch entgegen. «Die Chancen, dass wir gewinnen, stehen aus unserer Sicht sehr gut», meint Kummer.
Die Initiative sei mit 113 Organisationen breit abgestützt. «Die ganze Schweizer Zivilgesellschaft ist vertreten.» Neben Menschenrechts-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen auch Gewerkschaften und kirchliche Verbände, unter ihnen Heks, oeku Kirche und Umwelt, Evangelische Frauen Schweiz, Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn und die Oeme-Kommission Evangelisch-reformierte Gesamtkirchgemeinde Bern.
Das Geld der Gegner
Auch in der Bevölkerung erhielten die Anliegen der Konzernverantwortungsinitiative viel Unterstützung, sagt Lorenz Kummer. Er erwartet einen harten Abstimmungskampf. Die Wirtschaftsverbände verfügten über sehr viel Geld, «doch wir haben die schlagenden Argumente».
Im Kontext des Ständerats-Entscheids publizierte «Brot für alle» eine Online-Reportage zu Glencore im Kongo, die aufzeigen soll, weshalb es die Konzernverantwortungsinitiative braucht.