Recherche 17. März 2019, von Karin Müller/kirchenbote-online.ch

Nun entscheidet das Volk

Politik

Auf das Nein des Ständerats zum Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative reagiert Brot für alle enttäuscht. Und rüstet sich für den Abstimmungskampf.

Konzerne mit Sitz in der Schweiz sowie ihre Tochterfirmen müssen bei Geschäften im Ausland die Menschenrechte und Umweltvorgaben einhalten. Geschieht dies nicht, sollen sie in der Schweiz haftbar gemacht werden können. Dies verlangt die Konzernverantwortungsinitiative.

Der Nationalrat arbeitete dazu einen Gegenvorschlag aus, den die Rechtskommission des Ständerates überarbeitete. Dass der Ständerat das Thema nun nicht einmal debattieren wollte, bedauert Lorenz Kummer, Mediensprecher bei «Brot für alle» Bfa. «Wir sind der Meinung, dass der Gegenvorschlag des Nationalrats ausgewogen ist und beiden Seiten gerecht wird. Das starke Lobbying der Wirtschaftsverbände hat diesen Kompromiss verhindert.»

Gegen erpresserische Klagen

Die Initianten kündigten an, die Initiative zurückzuziehen, wenn beide Parlamente den Gegenvorschlag des Nationalrats annehmen. Auf den Vorschlag der vorberatenden Kommission des Ständerats, das Subsidiaritätsprinzip einzuführen, wollten sie sich hingegen nicht einlassen. Demnach sollten Unternehmen in der Schweiz nur dann belangt werden können, wenn die Kläger glaubhaft machen, dass eine Klage gegen die Tochterfirma im Ausland erheblich erschwert ist. Dies soll die Unternehmen vor «erpresserischen Klagen» schützen.

Die Initianten sagen, die Kommission habe den Gegenvorschlag auf Druck der Wirtschaft, insbesondere der Verbände Swissholdings und Economiesuisse, verwässert. «Die Bedenken der Gegner leuchten nicht ein, ihre Argumente sind nicht ganz ehrlich», findet Lorenz Kummer.

Unterstützung aus der Wirtschaft

Während die multinationalen Konzerne und die grossen Wirtschaftsverbände die Konzernverantwortungsinitiative bekämpfen, wird sie von anderen Schweizer Unternehmen unterstützt. Etwa von der Pestalozzi Gruppe. Dietrich Pestalozzi ist Verwaltungsratspräsident des Zürcher Familienunternehmens für Stahl- und Haustechnik. Er hat die Diskussion im Ständerat von der Tribüne aus verfolgt. «Die Subsidiaritätsregel hätte eine Haftungsklage als Sanktion praktisch verunmöglicht. Ein so zahnloses Gesetz wäre wirkungslos gewesen», sagt er.

Pestalozzi stimme aber auch FDP-Ständerat Ruedi Noser zu, der aus demokratiepolitischen Überlegungen grundsätzlich für die Durchführung einer Volksabstimmung plädierte. «Die an die Verfassungsänderung anschliessende Erweiterung der Haftung im Obligationenrecht, wie sie die Konzernverantwortungsinitiative verlangt, ist dann besser legitimiert», meint Pestalozzi.

Dietrich Pestalozzi ist Vorstandsmitglied des «Wirtschaftskomitees für verantwortungsvolle Unternehmen». Für ihn liegt die Konzernverantwortungsinitiative im Interesse der Schweizer Wirtschaft. «Einerseits geht es um die Reputation der Schweiz als Standort von Konzernen, die sich gemäss den internationalen Leitlinien verhalten sollten. Andererseits darf der Ruf der Wirtschaft bei der zunehmend globalisierungskritischen Bevölkerung nicht noch mehr leiden.»

Start der Abstimmungskampagne planen

Nachdem sich die Gegner im Ständerat durchgesetzt haben, sieht es nun danach aus, dass die Konzernverantwortungsinitiative ohne Gegenvorschlag vors Volk kommt. Zwar könnte der Nationalrat den Gegenvorschlag nochmals aufgreifen, sehr wahrscheinlich sei dies jedoch nicht, so die Einschätzung von Lorenz Kummer.

Frühester Abstimmungstermin ist im Februar 2020. «Sobald der Termin definitiv ist, geht der Abstimmungskampf los. Es wird nun unsere Aufgabe sein, in den nächsten Monaten eine gute Abstimmungskampagne vorzubereiten», sagt Kummer.

Chancen für die Initiative stehen gut

Der Abstimmung sieht man bei Bfa optimistisch entgegen. «Die Chancen, dass wir gewinnen, stehen aus unserer Sicht sehr gut», meint Kummer.

Die Initiative sei mit 113 Organisationen breit abgestützt. «Die ganze Schweizer Zivilgesellschaft ist vertreten.» Neben Menschenrechts-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen auch Gewerkschaften und kirchliche Verbände, unter ihnen Heks, oeku Kirche und Umwelt, Evangelische Frauen Schweiz, Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn und die Oeme-Kommission Evangelisch-reformierte Gesamtkirchgemeinde Bern.

Das Geld der Gegner

Auch in der Bevölkerung erhielten die Anliegen der Konzernverantwortungsinitiative viel Unterstützung, sagt Lorenz Kummer. Er erwartet einen harten Abstimmungskampf. Die Wirtschaftsverbände verfügten über sehr viel Geld, «doch wir haben die schlagenden Argumente».

Im Kontext des Ständerats-Entscheids publizierte «Brot für alle» eine Online-Reportage zu Glencore im Kongo, die aufzeigen soll, weshalb es die Konzernverantwortungsinitiative braucht.

Mehr zu diesem Thema

Engagement der Kirchen im Kovi-Abstimmungskampf: Bundesgericht kann sich nicht einmischen
08. April 2021, von Katharina Kilchenmann, Marius Schären

Engagement der Kirchen im Kovi-Abstimmungskampf: Bundesgericht kann sich nicht einmischen

Stimmen nach der Abstimmung: Das Thema der ethischen Verantwortung bleibt
30. November 2020, von Karin Müller, Tilmann Zuber/kirchenbote-online.ch

Stimmen nach der Abstimmung: Das Thema der ethischen Verantwortung bleibt

Banner müssen nicht vom Kirchturm verbannt werden
26. November 2020, von Sandra Hohendahl-Tesch

Banner müssen nicht vom Kirchturm verbannt werden

«Mit ihren Verstössen zerstören Unternehmen jahrelange Entwicklungsarbeit»
15. November 2020, von Tilmann Zuber / Kirchenbote

«Mit ihren Verstössen zerstören Unternehmen jahrelange Entwicklungsarbeit»

Welchem Komitee wäre Jesus beigetreten?
29. Oktober 2020, von Felix Reich

Welchem Komitee wäre Jesus beigetreten?

Bundesrätin Karin Keller-Sutter: «Die Initiative ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht»
27. Oktober 2020, von Katharina Kilchenmann

Bundesrätin Karin Keller-Sutter: «Die Initiative ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht»

Dick Marty vom Komitee der Konzerninitiative bezeichnet diverse Argumente der Gegner als falsch
23. Oktober 2020, von Marius Schären

Dick Marty vom Komitee der Konzerninitiative bezeichnet diverse Argumente der Gegner als falsch

Heiliggeistkirche am Berner Bahnhofsplatz. (Foto: Jonathan Liechti)
22. Oktober 2020, von Nicola Mohler

20 Kirchen zeigen Flagge

Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz mischt sich in den Abstimmungskampf ein.
09. Oktober 2020, von Nicola Mohler

Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz mischt sich in den Abstimmungskampf ein.

«Es genügt, wenn jeder Konsument und jede Konsumentin entsprechend handelt»
23. September 2020, von Tilmann Zuber / Kirchenbote

«Es genügt, wenn jeder Konsument und jede Konsumentin entsprechend handelt»

«Die meisten arbeiten lieber in Firmen, die sich ethisch korrekt verhalten»
23. September 2020, von Tilmann Zuber / Kirchenbote

«Die meisten arbeiten lieber in Firmen, die sich ethisch korrekt verhalten»

Konzernverantwortung: Gegenvorschlag und Corona-Krise könnten die Ausgangslage bis November ändern
03. Juli 2020, von Tilmann Zuber/kirchenbote-online.ch

Konzernverantwortung: Gegenvorschlag und Corona-Krise könnten die Ausgangslage bis November ändern

Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative: «Wirkungslos und willkürlich»
23. Juni 2020, von Daniel Klingenberg/kirchenbote-online.ch

Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative: «Wirkungslos und willkürlich»

«Die Wirtschaft dient dem Menschen»
05. September 2019, von Delf Bucher

«Die Wirtschaft dient dem Menschen»

«Das Evangelium ist in sich politisch – nicht parteipolitisch»
05. August 2019, von Nicola Mohler

«Das Evangelium ist in sich politisch – nicht parteipolitisch»

«Ich fürchte einfach die negativen Folgen der Initiative»
05. August 2019, von Nicola Mohler

«Ich fürchte einfach die negativen Folgen der Initiative»

Kampf für Mensch und Umwelt
20. März 2019, von Nicola Mohler

Kampf für Mensch und Umwelt

Nationalrat will Grosskonzerne stärker in Verantwortung nehmen
15. Juni 2018, von Marius Schären

Nationalrat will Grosskonzerne stärker in Verantwortung nehmen

Etappensieg für Hilfswerke
21. April 2018, von Felix Reich

Etappensieg für Hilfswerke

Überfällig oder übermotiviert?
23. Februar 2018, von Cyrill Rüegger

Überfällig oder übermotiviert?

Bildung statt Arbeit
03. Mai 2017, von Karin Müller/kirchenbote-online.ch

Bildung statt Arbeit

Mehr Schutz für Mensch und Umwelt
16. August 2016, von Nicola Mohler

Mehr Schutz für Mensch und Umwelt

«Wenn alles nur freiwillig ist, entsteht zu wenig Druck»
23. Februar 2016, von Matthias Böhni

«Wenn alles nur freiwillig ist, entsteht zu wenig Druck»

Von der Kehrseite der Goldmedaille
31. Januar 2016, von Delf Bucher

Von der Kehrseite der Goldmedaille