Bröckelt das Vertrauen zwischen Medien und Teilen der Bevölkerung, wird es problematisch. Die Berichterstattung über Musliminnen und Muslime zeigt, wie komplex die Rolle der Medien in einer vielfältigen Gesellschaft ist.
In der Paulus-Akademie diskutierten unter dem Titel «Pressefreiheit und Islamkritik» die Soziologin Noemi Trucco, der Präsident der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz Christoph Sigrist, Presseratspräsidentin Susan Boos und Felix Reich, Redaktionsleiter von «reformiert.» Zürich, journalistische Verantwortung. Islamwissenschaftlerin Amira Hafner Al-Jabaji moderierte.
Im Zentrum stand die Frage, wie Medien über Menschen islamischer Religionszugehörigkeit berichten, und wie klar, respektive unklar, sie zwischen religiöser Zugehörigkeit und Extremismus unterscheiden.
Noemi Trucco, Forscherin am Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft, zeigte anhand mehrerer Studien, wie stark die Berichterstattung über Muslime seit 9/11 oder der Minarett-Initiative zugenommen hat. Rund jeder zweite Artikel mit Bezug zum Islam im Zeitraum von 2014 bis 2017 stellte einen Bezug zu Terrorismus her, während der Alltag von Muslimen kaum vorkam. Emotional aufgeladene Nachrichten mit Täter-Opfer-Mustern und Stereotypen erzeugen mehr Resonanz, insbesondere in sozialen Medien, wo sich empörende Inhalte besonders rasch verbreiten.
Journalismus unter Druck
Die anschliessende Diskussion machte deutlich, dass die medialen Muster nicht folgenlos bleiben. Amira Hafner Al-Jabaji und Christoph Sigrist berichteten von vielen Muslimen, die sich enttäuscht aus dem öffentlichen Diskurs zurückzogen, etwa nach nicht eingehaltenen Zusagen zum Gegenlesen oder verzerrter Darstellung. «Das schwindende Vertrauen», so Sigrist, «hat zur Folge, dass viele nicht mehr zur Verfügung stehen wollen.» Der Verlust dieser Stimmen schade der journalistischen Qualität und der Gesellschaft.
Susan Boos und Felix Reich widersprachen der einseitigen Schuldzuweisung. Boos, frühere Chefredaktorin der WOZ, betonte, der Redaktion sei es stets darum gegangen, über Menschen zu schreiben, nicht über Religion. Viele Redaktionen stünden aber unter Spardruck, was sorgfältige Recherchen erschwere. Zugespitzte Schlagzeilen dienten der Klickgenerierung. Sie warnte, dass pauschalisierende Aussagen rechten Kreisen in die Hände spielten. Sigrist mochte das Argument des Spardrucks aber nicht gelten lassen. Journalistische Sorgfalt dürfe nicht Sparzwängen zum Opfer fallen. «Wenn Differenzierung an fehlenden Ressourcen scheitert, wird es gefährlich.»