Die Integration der muslimischen Seelsorge an den Spitälern ist eine Erfolgsgeschichte. Das ist das Fazit eines Evaluationsberichts, den der Kanton Zürich an der Universität Freiburg in Auftrag gab und der am 8. Mai präsentiert wurde. Obwohl viele Menschen keine religiöse Bindung mehr hätten, sei die Seelsorge in Spitälern «sehr gefragt», sagte Regierungsrätin Jacqueline Fehr.
Den Gaststatus abgelegt
Dass auch eine muslimische Seelsorge benötigt wird, ist längst klar. Vor acht Jahren wurde ein Freiwilligenpool aufgebaut, damit muslimische Patientinnen und Patienten adäquat betreut werden können.
Hinter dem Angebot steht der Verein Qualitätssicherung der muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen (Quams), den die Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (Vioz) mit der Unterstützung des Kantons sowie der beiden Landeskirchen aufgebaut hat. Er setzt auch in der Gefängnisseelsorge Qualitätsstandards fest und koordiniert die Weiterbildung.
Doch es blieb beim Beistand auf Abruf. Die muslimischen Seelsorgenden waren Gäste, während das ökumenische Seelsorgeteam voll in den Spitalalltag integriert war. Ausserdem bestand ein grosses Ungleichgewicht bei der Ausbildung und den Anstellungsbedingungen.
Den Horizont erweitert
Vor zwei Jahren startete Quams ein Pilotprojekt und stellte am Universitätsspital Zürich, am Kantonsspital Winterthur und an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich muslimische Seelsorgende an.
Die Integration der neuen Kolleginnen und Kollegen sei durchaus anspruchsvoll und zeitaufwendig gewesen, sagte Pfarrerin Christina Huppenbauer. Sie leitet bei der reformierten Kirche die Abteilung Spezialseelsorge. «Denn ein Spital ist ein eigener Mikrokosmos, es braucht Zeit, bis alle mit den Abläufen und Regeln vertraut sind.»
Die Realität abgebildet
Huppenbauer empfiehlt, die für die muslimische Seelsorge vorgesehenen Stellen mit tendenziell weniger Personen zu besetzen, um die Präsenz zu erhöhen. Der Evaluationsbericht schlägt eine sanfte Erhöhung des Stellenetats vor, damit genug Zeit bleibt für die Weiterbildung und die Qualitätssicherung.
Insgesamt profitiere die christliche Seelsorge von der Zusammenarbeit, unterstrich Huppenbauer. «Der Austausch über Religionsgrenzen hinweg über Gesundheit, Krankheit und Tod erweitert den Horizont.» Die Pfarrerin erkennt in der gelungenen Integration eine «Stärkung der konfessionellen Seelsorge». Die Theologinnen und Theologen seien zwar für alle Patientinnen und Patienten da, doch sie machten transparent, in welcher religiösen Tradition sie stehen, aus welcher Perspektive sie reden und handeln.
«Die Alternative wäre eine Neutralisierung der Seelsorge, und das wollen wir nicht.» Um am konfessionellen Modell festhalten zu können, sei die Kirche auf «eine interreligiöse Öffnung angewiesen, die der multireligiösen Gesellschaft entspricht», betonte Huppenbauer.
Im Spital Brücken gebaut
Explizit begrüsst wird die stärkere Präsenz der Pflege. Die Rollenverteilung kann besser geklärt werden. Muslimische Seelsorgerinnen und Seelsorger können zudem zwischen Spitalpersonal, Patienten und Angehörigen vermitteln. Wie ihre christlichen Kollegen haben sie jene Zeit für Gespräche, die der Pflege fehlt.
Die Mehrheit der in der Pilotphase erfassten Gespräche wurde auf Deutsch geführt. Zuweilen sei es jedoch wichtig, sich in der Muttersprache verständigen zu können, sagte Quams-Geschäftsführer Muris Begovic. Deshalb braucht es weiterhin die Liste von Seelsorgenden mit unterschiedlichen Sprachkompetenzen. Die Freiwilligen konnten durch die fest angestellten Pioniere aber stark entlastet werden.
Der Politik Zeit verschafft
Die Kosten für das Pilotprojekt von rund 700 000 Franken übernahm der Kanton. Die Übergangsfinanzierung bis Ende Jahr ist gesichert. Danach wollen die Kirchen Staatsbeiträge dafür einsetzen. Der Kantonsrat hat den Weg dafür frei gemacht, der Entscheid der Kirchenparlamente steht noch aus.
Die Kirchen wollen dem Kanton damit Zeit verschaffen. Langfristig soll er die Leistungen der muslimischen Gemeinschaft, die einen gesamtgesellschaftlichen Wert haben, direkt abgelten.