Fragen. Manchmal komme ich mir dumm vor. Ich verstehe so wenig. Ich weiss fast nichts. Das beginnt schon am Schreibtisch. Ich tippe diese Zeilen in den Computer. Mein Fingerschlag löst elektrische Signale aus, die auf dem Bildschirm Buchstaben hervorzaubern. Was eben noch in meinem Kopf war, ist durch die Maschine gehuscht und blickt mich jetzt an, wie ein Spiegelbild. Im Unterschied zum Spiegel kann ich an diesem Bild herumbasteln, so viel ich will. Ich kann löschen, ersetzen, Format und Farben ändern. Ein Kinderspiel. Scheinbar. In Wirklichkeit habe ich keine Ahnung, was da geschieht.
Wissen. Wir haben es weit gebracht, die Menschheit ist erfinderisch. Ich drücke auf dem Handy ein paar Tasten, und schon bin ich mit einem Menschen am andern Ende der Welt verbunden. Wie das funktioniert? Keine Ahnung. Ich weiss auch nicht, warum ein Auto fahren und ein Flugzeug fliegen kann. Und wer mir jetzt mit Verbrennungsmotor und Aerodynamik kommt, soll doch einmal erklären, wie das genau geht. Wetten, dass die meisten überfordert sind? Oft glauben wir eine Sache zu verstehen, weil wir mit ihr so vertraut sind. Wir meinen zu wissen und verlassen uns auf ein Halbwissen, das in Wirklichkeit gar keines ist.
Viertakt-Ottomotor: 1. Ansaugen 2. Verdichten 3. Arbeiten 4. Ausstoßen. (Bild: UtzOnBike, 3D-model & animation: Autodesk Inventor / Wikimedia Commons)
Distanz. Vieles ist zu selbstverständlich, als dass wir uns bemühen müssten, es zu verstehen, meint der Dramatiker Bert Brecht. Er plädiert für die Verfremdung des Vertrauten. Für jenen fremden Blick, mit dem Galilei angeblich einen ins Pendeln gekommenen Kronleuchter betrachtet hat: Er habe geschaut, als begreife er gar nichts, und sei so auf die Gesetze gestossen, welche den Leuchter zum Schwingen bringen. Dieser fremde Blick ist nach Brecht ebenso schwierig wie produktiv. Er nimmt den Dingen ihre Selbstverständlichkeit und verwandelt Bekanntes in Unbekanntes. Die Wirklichkeit erscheint in einem neuen Licht.
Vorsicht. Zu selbstverständlich ist meist auch das eigene Weltbild. Wenn wir es der Kausalkette entlang Schritt für Schritt erklären müssen, wird es auf einmal schwierig. Ob es nun um Politik, Religion oder die persönliche Lebensphilosophie geht: Manche Überzeugungen lassen sich nicht wirklich begründen. Selbst wer seiner Sache vollkommen sicher ist, wird Mühe haben, die Grundlagen dafür genau herzuleiten. Das ist keine Schande, mahnt aber zur Vorsicht: Vielleicht ist es ja ganz anders.
Grenzen. Unterdessen weiss ich nicht mehr, ob ich wirklich so dumm bin. Möglicherweise nur ein bisschen dumm. Richtig dumm ist doch, wer die eigene Beschränktheit nicht wahrhaben will. So jedenfalls sah es Sokrates, und der war bestimmt ein kluger Mann. Ob dumm oder nicht: Mein Text ist jetzt fertig. Ein paar Klicks, und schon erscheint er auf den Bildschirmen der Redaktion. Wie das funktioniert? Keine Ahnung.