Durch Askese zur musikalischen Ekstase

Musik

Nik Bärtsch ist ein international renommierter Pianist. Immer montags spielt er mit seiner Band im Club Exil – seit über 20 Jahren.

Der Montag ist für den Musiker Nik Bärtsch ein besonderer Wochentag. Seit über 20 Jahren spielt der 54-jährige Zürcher mit seiner Band Ronin zu Wochenbeginn ein Konzert – oder wie Bärtsch präzisiert: «ein musikalisches Training vor und mit Publikum». Was genau er unter dieser Übungsanordnung versteht, was es braucht, um einen Gig zu beseelen, und wie es durch Askese zur Ekstase kommt, erklärt Bärtsch im Zürcher Club Exil. 

Bärtsch öffnet die Tür des Hintereingangs fast auf die Sekunde genau zum vereinbarten Termin. Den Gast begrüsst er im Outfit seiner Mentorin und Schweizer Modedesignerin Christa de Carouge. Seine Hose ist im Stil an einen Hakama angelehnt, einem japanischen Kleidungsstück, das traditionell in der Kampfkunst und Meditationspraxis verwendet wird.

Die Räume im Club sind schwarz gestrichen, ein wenig verwinkelt, und man kann sich auch am frühen Nachmittag im leeren Saal gut vorstellen, wie hier am Wochenende Feierwillige zu Elektroklängen bis in die frühen Morgenstunden hinein tanzen. 

Doch gibt es eben auch die Montagsreihe von Pianist Nik Bärtsch und Ronin – und sie hat wenig mit dem Ausstieg des Zürchers Partyvolks aus dem Alltag zu tun. Stets steht Bärtsch beim Einlass vor den Konzerten mit an der Kasse, um die Besucherinnen und Besucher persönlich willkommen zu heissen. 

International bekannt

Die Nähe zu seinem Publikum ist ihm sehr wichtig. «Ich übernehme dabei die Rolle eines Primus inter Pares, der die Gemeinschaft durch den Abend führt», so Bärtsch. Im Schnitt kommen um die 50, 60 Gäste, manchmal sind es auch 100.

Bärtsch und Ronin sind international bekannt und renommiert in der Jazzszene. Nebst einem Stammpublikum wollen auch immer neue Musikfans ein Ronin-Konzert erleben. Warum diese Reihe mit inzwischen fast 1100 Folgen? Für Bärtsch und seine Mitstreiter Kaspar Rast, Jeremias Keller und Stefan Haslebacher aka «Sha» stellt der Montagsgig eine Übung auf höchstem Niveau dar. «Wie ein Freundschaftsspiel gegen einen sehr starken Gegner», witzelt Bärtsch. Auch da müsse man alles geben und werde so besser mit Blick auf die Pflichtspiele – in dieser Metapher die «regulären» Konzerte. 

Spirituelle Präsenz schärfen

«Im Moment, in dem der Gig beginnt, soll natürlich die Musik und die Interaktion mit dem Publikum im Vordergrund stehen», sagt Bärtsch. Dabei stelle er sich als Künstler nicht in den Mittelpunkt, sondern «die Frage, was mit allen Anwesenden passiert und welche Dynamik dabei entsteht». Dafür benötige die Musik «eine hohe Qualität und Präsenz». Als Ziel formuliert Bärtsch, gemeinsam voll und ganz «in den musikalischen Moment einzutauchen».

Im besten Fall komme er dabei im Zusammenspiel in der Gruppe in einen anderen Bewusstseinszustand, in dem sich die Musik beinahe wie von selbst spiele. Das gelingt Bärtsch aber nur, wenn er diese Herangehensweise auch in anderen Zusammenhängen trainiert – beispielsweise in der Kampfkunst oder in der Meditation. Dazu passt die Beschreibung von Bärtschs Musik als «Ritual Groove Music» und «Zen Funk» bestens. «Das ist für mich eine Form, meine spirituelle Präsenz zu schärfen. Man muss das durch Repetition immer wieder üben, und dafür ist der Montag da.» Dabei werde durch Hingabe, Fokus und die Reduktion auf das Wesentliche eine «Ekstase durch Askese» möglich. 

Für Bärtsch ist es folglich nur logisch, dass der rituelle, immer wiederkehrende Rahmen der Konzerte die Bedingung dafür ist, den musikalischen Abend zu beseelen und ihn somit erfolgreich zu gestalten. So wird das Musikmachen zur gelebten Spiritualität, die keiner grossen Worte bedarf.