Der Spaziergang in der Mittagshitze dauert nicht lange. Nisreen Yaqoob (62) trägt im Irak beliebte Plastikslippers, ihre Freundin Fairoz Yousif (51) ist zu Hause in Flipflops geschlüpft. Seite an Seite gehen sie vorbei an den kleinen grünen Vorgärten, dahinter Häuser mit Flachdächern, die meisten einstöckig.
Hier im Dorf Dawodiya, mitten in der Pampa im äussersten Norden Iraks, raschelt der Wind in Aprikosenbäumen und manchmal bellt ein Hund in die Stille. Die Tage der beiden Frauen sind gleichförmig, und es braucht wenig – wie an diesem Montag Ende Mai –, um den Alltag kurz zu durchbrechen.
Kampf ums Überleben
Sie sind unterwegs zu einem geräumigen, zu einem Versammlungsraum umgenutzten Container, in dem schon Dutzende Ältere geduldig warten. Sie plaudern leise, jemand hat Tee mitgebracht.
Etwas weniger als 200 Menschen leben in Dawodiya. Wie viele andere christliche Dörfer im Nordirak kämpft der Ort ums Überleben. Obwohl sich die Lage in den letzten Jahren entspannte und die Regierung von Premierminister Sudani in der Hauptstadt Bagdad Strassen, Brücken und Hochhäuser bauen lässt, liefert der Staat nur wenige Stunden Strom pro Tag in die Haushalte. Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Das Reich der Männer
In Dawodiya gibt es kaum Arbeit und wenig Unterhaltung, das einzige Café ist das Reich der Männer. Eine von Yaqoobs erwachsenen Töchtern, eine Lehrerin, ist geblieben. Für die Arbeit muss sie ins Nachbardorf, die Mauern der Schule in Dawodiya haben Risse, der Innenhof ist seit Jahren verwaist. Die andere Tochter lebt mit den Grosskindern in der Stadt Dohuk, die eine Autostunde entfernt ist. Yousifs beide Söhne sind in die USA nach Michigan ausgewandert. «Ihnen fehlt der Irak», sagt Yousif, «aber es gibt hier keine Arbeit für sie.»