Und plötzlich ziehen alle an einem Strick

Altersfreundliche Gemeinschaft

Vielerorts machen Behörden Altersarbeit. Die Region Sursee hat jene damit beauftragt, die sie ganz pragmatisch angehen: Vereine, Freiwillige – und auch die Kirche. 

Es war ein Anlass, der nachhallt. «Zusammen statt allein», lautete das Motto des ersten «regionalen Marktplatzes 60plus» im September 2022 in Sursee. Alle Beteiligten schwärmen noch heute von der besonderen Stimmung, die damals im Pfarreizentrum Sursee herrschte. 

«Ich hatte ganz stark ein Gefühl: Wir ziehen alle am gleichen Strick für eine wichtige Sache», beschreibt Ruedi Schaffer, Co-Präsident des Vereins Aktives Alter Geuensee, sein Erleben. Ähnlich beschreiben es andere, die involviert waren.

Everdance und Qigong

Einen Tag lang präsentierten Vereine und Altersinstitutionen aus 16 Gemeinden ihr Angebot. Auf der Bühne tanzte die Gruppe Everdance, sang das Seniorenchörli Knutwil, Frauen und Männer führten Tai-Chi und Qigong vor. Auf dem Programm standen auch Referate zu Themen rund ums Alter, es gab Essen und Musik.

Viele sagten, sie hätten nicht gewusst, dass es in der Region eine solche Bandbreite an tollen Angeboten für ältere Menschen gibt.
Ruedi Schaffer, Co-Präsident des Vereins Aktives Alter Geuensee

Die Leute kamen in Scharen, viele blieben lange in der Festbeiz sitzen. An jenem Tag wurde erstmals deutlich sichtbar, wozu sich die Politiker der Region Sursee 2018 entschlossen hatten: Statt dass jede Gemeinde in föderalistischer Tradition ihre eigene Altersstrategie ausgetüftelt hätte, entschieden sie sich dazu, mit vereinten Kräften dem demografischen Wandel zu begegnen. 

Das regionale Altersleitbild sollte nicht bloss ein Papiertiger für Behörden sein, sondern ein lebendiges Projekt namens «Alter bewegt», das vor allem von jenen getragen wird, die sich ganz pragmatisch für die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen starkmachen: Wandergruppen oder Jassclubs, Kulturvereine, freiwillige Besuchsdienste, Frauengruppen, Alterskommissionen.

Volksfest statt Messe

Die zivilgesellschaftlichen Akteure, darunter die Kirche, waren am regionalen Marktplatz 2022 denn auch in der Mehrheit. Geplant wurde keine konventionelle Altersmesse mit kommerziellen Anbietern und Gesundheitsinstitutionen, es sollte ein geselliges Volksfest mit vertrauten Gesichtern hinter den Ständen werden, die Lust auf ihre vielen niederschwelligen Angebote machten.

Ruedi Schaffer erinnert sich: «Es war wunderbar. Viele sagten, sie hätten nicht gewusst, dass es in der Region eine solche Bandbreite an tollen Angeboten für ältere Menschen gibt. Seit dem Markt sind an unseren Anlässen manchmal auch Teilnehmer aus anderen Gemeinden.»

Im Austausch sein miteinander ist notwendig, denn Altersarbeit ist eine Querschnittaufgabe.
Christiana Brenk, Leiterin des Programms Socius bei der Age-Stiftung

Schaffer vertritt seine Wohngemeinde Geuensee in der «regionalen Kommission Altersfragen», die sich zweimal pro Jahr trifft, um Projekte und Erfahrungen auszutauschen. Auch dies war ein bewusster Entscheid, Altersarbeit nicht «von oben herab» zu organisieren, sondern durch die Basis: Alle – inzwischen 19 – Gemeinden sind nur durch Freiwillige vertreten. «Ein solcher Austausch fand bis dahin nicht statt», hält Ruedi Schaffer fest. 

Für die Age-Stiftung, die gesellschaftlich relevante Projekte für ältere Menschen fördert, ist die Region Sursee beispielhaft. «In vielen Gemeinden sind die Akteure der Altersarbeit nicht im Austausch miteinander», weiss Christiana Brenk. «Das wäre aber notwendig, denn Altersarbeit ist eine Querschnittaufgabe.» Brenk leitet bei der Age-Stiftung das Programm Socius. 

Gemeinden haben Schlüsselrolle

Dieses Projekt wurde 2014 lanciert, um Gemeinden in der Vernetzungsarbeit zu stärken. 20 Gemeinden nahmen teil, darunter von 2020 bis 2023 die Region Sursee. 

Das Programm läuft nun aus, die Erkenntnisse und Handlungsanleitungen auf der Plattform von Socius können Gemeinden nutzen, die ihre Altersarbeit ebenfalls besser koordinieren wollen. Brenk: «Ihnen kommt bei der Neuorganisation der Altersversorgung eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen die nötigen Prozesse in Gang setzen und Strukturen für ein koordiniertes Vorgehen schaffen.» 

Für professionelle Altersarbeit haben Sozialvorstehende nicht die nötigen Ressourcen. Das ist, als müsste jemand aus dem Gemeinderat Jugendarbeit machen.
Fanny Nüssli, Geschäftsführerin «Alter bewegt»

Die Wirkung des Projekts «Alter bewegt» ist in Sursee bereits spürbar. «Hier etabliert sich eine Kultur des Teilens und des Miteinander-unterwegs-Seins», sagt Fanny Nüssli, die «Alter bewegt» als Geschäftsführerin unterstützt. 

Wie konsequent sich die Gemeinden diese Kultur auf ihre Fahnen geschrieben haben, wird nicht zuletzt darin sichtbar, dass sie gemeinsam eine neue Stelle mobile Altersarbeit finanzieren. Ab August wird eine Fachperson die Gemeinden unterstützen, etwa in der Quartierentwicklung. «Altersarbeit muss professionell koordiniert werden», sagt Nüssli. «Sozialvorstehende haben dafür nicht die nötigen Ressourcen. Das ist, als müsste jemand aus dem Gemeinderat Jugendarbeit machen.» 

Eine ideale Plattform

Ein Blick in die Socius-Projekte zeigt: Die Zusammensetzung der Akteure ist in jeder Gemeinde anders, aber mit von der Partie ist immer auch die Kirche. In Sursee ist sie für den zweiten Marktplatz diesen Herbst Gastgeberin. Bis Sommer 2024 vertritt Gregor Gander von der katholischen Landeskirche Luzern beide Landeskirchen in der regionalen Alterskommission. Er sagt: «Die Kirche hat hier noch sehr viele Mitglieder und somit viel Potenzial. Wir haben viele Angebote und Freiwillige.» 

Nahm die Kirche bislang in erster Linie als Koordinatorin des Netzwerks Palliative Care teil, so überlegt sich Ganders Nachfolger, der reformierte Pfarrer Hans Weber, wie Seelsorge insgesamt stärker eingebracht werden kann. Weber: «In der Altersarbeit geht es oft um Sinnfragen. Das ist genau unser Metier.» Das Projekt «Alter bewegt» finde er eine «gute Sache». «Die Kirche muss sowieso stärker hinaus zu den Leuten.» Für die Kirchen sei das Programm eine ideale Plattform. 

Und das Motto des nächsten regionalen Marktplatzes fragt: «Wann, wenn nicht jetzt?»