Schwerpunkt 24. September 2025, von Constanze Broelemann aufgezeichnet

Der einsame Wolf am Computer

Arbeit

Sein Job gibt ihm Freiheit. Henning Scholler nimmt dafür auch ein Gefühl des Alleinseins in Kauf.

«Hin und wieder sitze ich in einem ruhigen Café in Chur, um meine Arbeit als Account-Manager für eine Softwarefirma zu erledigen. Da habe ich dann ein wenig menschliche Akustik um mich herum. Ansonsten bin ich im Homeoffice.

Die Remotearbeit ist bei mir der Normalzustand. Ich brauche bloss meinen Laptop, Headset, Telefon und Internetzugang. Dementsprechend habe ich auch kein Büro, in das ich gehe, sondern arbeite von verschiedenen Orten aus.

Bei Problemen ist der persönliche Austausch immer die erste Wahl.
Henning Scholler, Verkäufer für Software

Da mein Unternehmen international tätig ist und die Schweiz bloss einer von mehreren Standorten, finden höchstens vierteljährlich Mitarbeitendentreffen statt. Ansonsten sehe ich meine Kollegen täglich in Online-Meetings. Wenn ich einmal einen informellen Austausch suche, so verabrede ich mich mit Kollegen zu einem Online-Chat. Dort können wir auch Dampf ablassen.

Manchmal würde ich mir noch mehr Teamgefühl wünschen, aber das ist in einem dezentral tätigen Unternehmen schwierig. Zuweilen fühle ich mich schon ein wenig wie ein einsamer Wolf.

Frage der Wertschätzung

Zwischenmenschlichen Kontakt habe ich als Verkäufer von Software natürlich schon regelmässig beim Kunden. Doch auch einige von ihnen bevorzugen den Online-Kontakt. So müssen weder Raum noch Reise organisiert werden.

Wenn ich neue Kunden gewinnen will, ist der persönliche Kontakt für beide Seiten wichtig. Ich komme in das Habitat des anderen, und man kann sich besser beschnüffeln. Auch wenn es Probleme gibt, ist der persönliche Austausch immer die erste Wahl. Ich zeige, dass ich mir Zeit nehme, indem ich extra anreise. Das schafft Wertigkeit.

Was verloren geht

Die Freiheit, die mir meine Arbeitsweise gibt, möchte ich keinesfalls gegen einen Bürojob, bei dem ich vor Ort sein muss, eintauschen.

Die Remotearbeit macht für mich auch den Informationsaustausch untereinander leichter. Es wird gezielter kommuniziert, allerdings nicht immer zeitlich synchron. Wenn ich zum Beispiel auf die Antwort auf meine E-Mail warten muss. Manchmal passiert dann lange Zeit nichts, und auf einmal kommen E-Mails, Telefonanrufe und Chat auf einmal hinein. Dann muss ich schauen, wie ich Prioriäten setze. Grundsätzlich glaube ich, dass ich produktiver arbeite als vorher im Grossraumbüro, wo ein hoher Lärmpegel herrschte.

Der unkomplizierte Austausch mit Kollegen geht bei der digitalen Arbeit verloren.
Henning Scholler, Verkäufer für Software

Ich denke, die Remotearbeit ist nicht für jedermann geeignet. Es braucht viel Eigenmotivation, ohne Team und Büro vor Ort. Am vierten Tag der Woche denke ich dann schon hin und wieder: Ein unkomplizierter Austausch mit Kollegen wäre jetzt schön. Dieser geht bei der digitalen Arbeit halt schon verloren.»