Arbeitende ernst nehmen in Gefühlen und Verantwortung geben

Wirtschaft

Technologie und vor allem «Künstliche Intelligenz» wecken Ängste bei Arbeitenden. Umso mehr müssten Unternehmen emotional intelligenter werden – das zeigt eine grosse Studie. 

Wir hätten eine «selbstmörderische Empathie in der Zivilisation», sagte Elon Musk, aktuell noch reichster Mensch der Welt, am 28. Feburar in einem Interview mit dem Podcaster Joe Rogan.  Ob der Unternehmer dabei wohl bewusst aktuellen Erkenntnissen aus der Ökonomie widersprach?

Der Professor und Betriebsökonom Jochen Menges sagt: «In der Arbeitswelt der Zukunft wird der Mensch im Zentrum stehen.» Die Technologie müsse uns in unseren Fähigkeiten beflügeln, in unserem Schaffen und Empfinden, sie dürfe uns nicht depressiv machen, fordert er. Denn wer bei seiner Arbeit bei seinen emotionalen Bedürfnissen abgeholt wird, ist zufriedener und gesünder – was wiederum den Unternehmen zugute kommt.

Ökonom fordert mehr Gefühl

Die Forderung nach mehr Gefühl bei der Arbeit kommt nicht aus der Geisteswissenschaft, der Psychologie oder Soziologie: Jochen Menges leitet das «Center for Leadership in the Future of Work» der Uni Zürich (wörtlich: Zentrum für Führung in der Zukunft der Arbeit). Und der Ökonom und sein Team haben die entsprechende Studie durch Befragungen von über 18‘000 Menschen in 35 Ländern auf der ganzen Welt erstellt.

Die wichtigsten Erkenntnisse: Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden befragen, wie sie sich gerne fühlen möchten. Und diese sollten sich dann selbst organisieren können in ihren Teams, lokal, dezentral, und dabei auch Verantwortung übernehmen. Gemäss Jochen Menges zeigt die gross angelegte Untersuchung klar: «Man kann Menschen nicht vorschreiben, wie sie sich fühlen sollen. Das ist schlicht unmöglich top-down zu machen.» Und: Es kämen äusserst unterschiedliche Antworten, wenn man sie frage, wie sie sich fühlen wollen bei der Arbeit.

Wenn Mitarbeitende in einem Betrieb bei ihren Gefühlen abgeholt werden, arbeiten sie auch effizienter – und zwar ohne mehr Stress.
Jochen Menges, Betriebsökonom und Leiter «Center for Leadership in the Future of Work» der Uni Zürich

Das heisst: Die emotionalen Bedürfnisse sind sehr vielfältig. «Aber wenn Mitarbeitende in einem Betrieb dort abgeholt werden, arbeiten sie auch effizienter – und zwar ohne mehr Stress», hält Menges fest. Wichtig dabei sei zudem, dass es Mitarbeitenden möglich sei, sich selbst in Teams zu organisieren, dezentral und lokal. Mit anderen Worten: Unternehmen sollten sich nicht nur um neue Technologien kümmern, die den Betrieb effizienter machen könnten. Sie müssen zugleich emotionale und soziale Aspekte ihrer Mitarbeitenden einbeziehen. 

Das sind schöne Worte. Aber hält das beispielsweise die Führungskraft Jochen Menges selbst? «Wir machen sehr vieles auch intern. Bei der Einstellung gibt es einen EQ-Test. Wir tauschen uns regelmässig darüber aus, wie sich die Mitarbeitenden fühlen wollen. Die Antworten tragen wir zusammen und schauen: Was kann jede und jeder Einzelne dazu beitragen?» Mitarbeitende möchten häufig sich wertgeschätzt, kompetent, autonom oder sicher fühlen und begeistert, dankbar und stolz sein.

Auftrag für ganze Uni erhalten

Das Wichtige werde in einer Vereinbarung festgehalten und von allen unterschrieben. Vor dieser Vereinbarung treffe sich das Team jeweils Ende Semester, um zu schauen, was geklappt hat und was nicht. «Das funktioniert seit fast drei Jahren gut», sagt Menges. Und nachdem die Befragung im Team etabliert war, hat Menges von der Uni-Leitung den Auftrag erhalten, das Gleiche für alle rund 2000 Mitarbeitenden der Universität Zürich zu machen.

Wie aber läuft das in anderen Branchen als etwa der IT, wo das System gemäss Menges gut funktioniert – beispielsweise auch in sozialen Berufsfelder wie kirchlichen Arbeitsplätzen, oder in der Pflege mit dem aktuellen Fachkräftemangel, oder auch in Fabriken, wo Menschen eher simple Arbeitschritte ausführen?

In der Pflege oder Gastronomie funktioniert es. Gerade in der Pflege ist ein dringender Handlungsbedarf da.
Jochen Menges, Betriebsökonom und Leiter «Center for Leadership in the Future of Work» der Uni Zürich

Der Ökonom bekräftig, dass die Prämisse zur besseren Beachtung von Gefühlen überall wichtig sei. «In der Pflege oder Gastronomie funktioniert es. Gerade in der Pflege ist ein dringender Handlungsbedarf da.» Und bei kirchlichen Arbeitsplätzen gelte das Prinzip ebenfalls: Beteiligten müssten mit ihren Gefühlen wahrgenommen werden, die Verantwortung bei allen liegen: «Wenn man da beginnt, ist man auf einem guten Weg», sagt Menges.

Davon ausgenommen seien auch reine Fertigungsbetriebe nicht. In der Studie seien unter anderem auch Fabriken in Mexiko und Indonesien, wo ganz einfach Coupons von Hand gescannt beziehungsweise Textilien gefertigt werden. Und das Verdikt lautete gemäss dem Wirtschaftsprofessor: «Auch da stieg die Produktion mit der Vorgehensweise.»